Brandenburger Tor, Reichstag, Fernsehturm: Das sollte man bei einem Berlin-Trip gesehen haben. Im alten Westen der Stadt steht aber noch ein weiteres Gebäude, das auf die Liste der Touristenattraktionen gehört. Am Breitscheidplatz, zwischen KaDeWe und Bahnhof Zoo, steht die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche - oder was davon noch übrig ist.
Denn während des Zweiten Weltkrieges, am 23. November 1943, wird die Kirche bei einem Luftangriff zerstört. Bis heute erhalten geblieben sind ein Turm-Fragment und die darunter befindliche Vorhalle des einstigen Kirchenschiffs. Die Berliner sprechen vom "Hohlen Zahn", wie viele Reiseführer behaupten.
Die Hohenzollern verewigen sich
Eingeweiht wird die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche am 1. September 1895 - errichtet zu Ehren von Kaiser Wilhelm I., der 1888 in Berlin gestorben ist. "Sie sollte die Bedeutung der Hohenzollern-Monarchie, des Kaisertums von Wilhelm II. sichtbar machen", sagt Pfarrer Martin Germer. "Das konservative, kaiserliche Deutschland repräsentierte sich hier."
Dokumentiert ist das in der erhaltenen Eingangshalle: Dort können Mosaike besichtigt werden, auf denen sich die Hohenzollern selbst verewigt haben, zum Beispiel auch Kaiser Wilhelm II. mit seiner Gemahlin Auguste Victoria.
Protest gegen Abriss
Nach Kriegsende feiert die Gemeinde ihre Gottesdienste im ausgebombten Kirchenschiff, das später abgerissen wird. Mitte der 1950er Jahre wird beschlossen: Wir brauchen Platz für eine neue Kirche. Den Architekturwettbewerb gewinnt Egon Eiermann - mit einem Entwurf, der die ganze Ruine abreißen will, inklusive des "Hohlen Zahns".
Doch dagegen gibt es Protest. Zeitzeugen erzählen, man habe sich an den Händen gefasst, um den Baukörper mit dem eigenen Leib zu schützen. Der Entwurf wird schließlich angepasst, der Turm bleibt als Mahnmal gegen den Krieg erhalten.
"Lippenstift und Puderdose"
Der Grundstein für die neue Gedächtniskirche wird 1959 gelegt. Umrahmt wird die Turmruine schließlich auf der einen Seite von einem neu gebauten Glockenturm, auf der anderen Seite von einem achteckigen Kirchenschiff, das bei Lichteinfall dank 20.000 kleiner Glasfenster blau schimmert.
Beides zusammen wird von den Berlinern - laut Reiseführer-Angaben - "Lippenstift und Puderdose" getauft. Mittlerweile ist auf den Stufen seitlich der Kirche ein weiteres Mahnmal dazugekommen: ein mit einer goldfarbenen Legierung ausgegossener Riss im Pflaster. Er erinnert an die Opfer des Terroranschlags vom 19. Dezember 2016 am Breitscheidplatz.
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