Turnusmäßig übernimmt Angela Merkel (CDU) Anfang 2007 für ein halbes Jahr die Präsidentschaft der Europäischen Union. Ganz oben auf der Agenda der Bundeskanzlerin steht das Thema Klimaschutz. Einige Wochen später wird Merkels Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) von einer Nachricht aus Australien elektrisiert: Bis spätestens 2010 sollen dort neue Energiesparlampen alle herkömmlichen Glühbirnen ersetzen.
Auch hierzulande sind Glühbirnen als Stromfresser und Klimaschädlinge in Verruf geraten: Nur fünf Prozent der verbrauchten Energie werden in Licht umgewandelt, der Rest verpufft als Wärme. Gabriel greift die Gesetzesinitiative der Australier sofort auf und schreibt einen Brief an die EU-Kommission in Brüssel. 25 Millionen Tonnen Treibhausgase, so Gabriel, könnten pro Jahr in Europa eingespart werden, wenn man dem australischen Beispiel folge.
Verhandlungen ohne Volksvertreter
Im Eiltempo überzeugt Kanzlerin Merkel ihre europäischen Amtskolleginnen und -kollegen von der Dringlichkeit verbindlicher Klimaziele. Bereits im März 2007 beschließen die Staats- und Regierungschefs der EU, den Ausstoß an Treibhausgasen bis 2020 um mindestens 20 Prozent zu senken. In quasi letzter Minute drückt Merkel auch noch Gabriels Anti-Glühbirnen-Vorstoß ins Klimapaket. Die EU-Kommission wird gebeten, "in Bezug auf die Beleuchtung, Straßenbeleuchtung, Bürobeleuchtung und die Verwendung von Standards bei Lampen in den Haushalten bis 2008, spätestens 2009 Vorschläge zugunsten der Energiesparlampe zu machen."
Auch Evelyne Gebhardt von der SPD macht sich für die Stromsparer stark: "Wenn wir die Glühbirne nicht mehr auf dem Markt haben, bedeutet das, das wir in einem Jahr bis zu zehn Großkraftwerke einsparen können", rechnet die EU-Parlamentarierin vor. Zusammen mit Experten aus Wirtschaft und Naturschutz, mit Beamten und Lobbyvertretern arbeitet die EU-Kommission nun die von Merkel erbetenen Standards aus. Abgeordnete sitzen – nach EU-Recht regelkonform - nicht mit am Tisch. Proteste bleiben aus, denn neben Christ- und Sozialdemokraten sind auch die Grünen dafür. Und die Industrie erst recht, bietet sich ihr doch endlich die Chance, ihre teuren Energiesparlampen unters Volk zu bringen.
Hamsterkäufe von Glühbirnen
Die deutsche Öffentlichkeit erfährt nichts von den Verhandlungen. Dann aber machen Politiker von FDP und CSU gegen die Brüsseler Insider-Gespräche Front. Markus Ferber, CSU-Chef im Europa-Parlament, erklärt, es könne nicht sein, "dass in demokratisch nicht legitimierter Weise Produktverbote ausgesprochen werden. Ein massiver Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Menschen." Viele Bürger denken ebenso, der Streit um den Lichtwechsel gewinnt medial an Brisanz. Dennoch scheitern die Kritiker damit, das Thema Energiesparlampe im EU-Plenum diskutieren zu lassen. Mit 14:44 Stimmen unterliegen sie im Umweltausschuss. "Wir fanden, das war ausdiskutiert", sagt Rebecca Harms von den Grünen.
Im Februar 2009 kann der Umweltausschuss seine "Durchführungsbestimmung" vorlegen: Als erste werden die 100-Watt-Leuchten aus dem Verkehr gezogen. Am 1. September 2011 folgt die beliebte 60-Watt-Birne. Nun dämmert den Deutschen so richtig, was an ihnen vorbei beschlossen wurde. Millionenfach hamstern sie ihre Lieblingsbirne. Der Verkauf der neuen Stromsparer lahmt zunächst, auch weil das Umweltbundesamt 2010 vor der als Sondermüll zu entsorgenden Energiesparlampe warnen musste: Wenn sie zerbreche, werde hochgiftiges Quecksilber freigesetzt – in gesundheitlich nicht akzeptablen Mengen! Bis heute empfehlen Verbraucherschützer deshalb, in Kinderzimmern extra bruchsichere Leuchten zu verwenden. 2018, nach etwas mehr als einem Jahrhundert, soll die letzte Lampe mit einem Glühfaden produziert werden.
Programmtipps:
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 1. September 2016 ebenfalls an das EU-Verbot für Glühbirnen. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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