"Ich bin ein guter Bastler, kein großer Komponist", sagt Frank Farian. Das kann er sich leisten, denn als Pop-Produzent zählt der Lieblings-Prügelknabe deutscher Musikkritiker zu den Größten – nicht nur hierzulande. Den Ritterschlag der Branche erhält Farian, als er in den USA zum erfolgreichsten Musikproduzenten des Jahres 1989 gekürt wird.
Mehr als 800 Millionen Tonträger hat Frank Farian, bürgerlich Franz Reuther, in seiner Karriere verkauft. Dank seines Basteltalents kann der nun 75-Jährige seine diversen Wohnsitze und Tonstudios mit Gold- und Platinplatten tapezieren.
Mit Boney M. zum König der Disco-Welle
Seinen Vater lernt der am 20. Juli 1941 geborene Farian nie kennen; der fällt als Soldat in Russland. Der Junge erlebt den Bombenkrieg, weiß, was Hungern bedeutet und macht nicht zuletzt deshalb eine Kochlehre. Seine Leidenschaft gehört aber der Musik, vor allem dem Rock´n´Roll von Elvis. Mit seiner 1962 gegründeten Band "Frank Farian & Die Schatten" schafft er es sogar bis in den Hamburger "Starclub". Doch der Jungmusiker und Betreiber einer Diskothek im Saarland will nicht nur spielen, sondern auch verdienen. Farian, der Rock- und Soulfan, mutiert deshalb zum Schlagersänger und schreibt sich 1968 mit "Dana, My Love", einen ersten kleinen Hit. Die herzergreifende Schnulze "Rocky" katapultiert ihn dann 1976 auf Platz eins und bringt Frank Farian die erste Goldene Schallplatte ein.
Zwei Jahre zuvor hat er die Disco-Platte "Baby Do You Wanna Bump" produziert und unter dem Pseudonym Boney M. herausgebracht. Der Erfolg zwingt Farian nun, die Formation tatsächlich zu gründen. So werden Maizie Williams, Marcia Barrett, Liz Mitchell und Bobby Farrell, allesamt aus der Karibik, zum Quartett Boney M. Dass Farian den Part des gelenkigen Tänzers Farrell selbst singt, verheimlicht er nicht. Boney M. trifft den Zeitgeschmack voll auf die Zwölf und belegt drei Jahre lang mit Hits wie "Daddy Cool", "Ma Baker" und "Rivers of Babylon" die Chartspitzen. Als erste westliche Pop-Band wird die Gruppe zu einer Tournee in die Sowjetunion eingeladen. Beim Abebben der Disco-Welle hat Farian als Produzent der Studioband "Far Corporation" und des US-Schwergewichts Meat Loaf schon neue Eisen im Feuer.
Mogelpackung Milli Vanilli
Farians nächstes musikalisches Kunstprodukt geht sogar in den USA durch die Decke. 1988 werden Rob Pilatus und Fab Morvan zu Milli Vanilli, denen Farian Welthits wie "Girl You Know It’s True", "Baby Don’t Forget My Number" und "Girl I’m Gonna Miss You" in den Mund legt. Dass die beiden heißen Showboys nur ihre Lippen zu den Stimmen von Profisängern bewegen, verschweigt Farian. Als Milli Vanilli 1990 drei American Music Awards und einen Grammy einheimst, setzen Pilatus und Morvan ihrem Produzenten die Pistole auf die Brust: Sie wollen selbst singen; Farian erkennt: Game over. Im November 1990 enttarnt er das Playback-Duo und löst damit einen der größten Skandale im Popbusiness aus. Der Grammy wird Milli Vanilli daraufhin aberkannt, die beiden stimmlich arg limitierten Sänger machen sich mit echten Live-Auftritten zur Lachnummer.
Rob Pilatus, der sich auf Augenhöhe mit Paul McCartney und Elvis wähnte, verkraftet den Absturz nicht. 1998 stirbt er an einer Drogen-Überdosis. Der Mogelkünstler Frank Farian übersteht den Offenbarungseid, landet danach jedoch mit "The Really Milli Vanilli" und den wahren Sängern einen veritablen Flop. Dank seiner Nase für Trends und einer cleveren Zweitverwertung seines Schaffens bleibt der Erfolgsproduzent aber weiter dick im Geschäft. "Be My Lover" von La Bouche wird Nummer eins in Deutschland, das Latin-Pop-Trio No Mercy schafft es sogar in England und den USA bis in die Top Five. 1997 erhält Frank Farian den Echo für sein Lebenswerk. Seit 2006 recycelt er mit "Daddy Cool – Das Musical" die Hits seiner Schöpfungen Boney M. und Milli Vanilli.
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