Seit 1920 landen Paris-Reisende in Orly im Süden der Seine-Metropole. Anfang der 60er-Jahre zeichnet sich ab, dass die Kapazitäten von Paris-Orly schon bald erschöpft sein werden - ein Ausbau des von Wohngebieten umgebenen Flughafens ist aber unmöglich. Frankreichs Hauptstadt braucht dringend einen neuen internationalen Airport.
Als Standort wählt der französische Ministerrat 1964 Roissy-en-France aus, ein dünn besiedeltes Ackerland nordwestlich von Paris. Weder Bürgerproteste noch Umweltauflagen bremsen das Projekt; nur zehn Jahre später landet bereits der erste Passagierjet auf dem nach Staatspräsident Charles de Gaulle benannten Großflughafen.
Futuristischer "Beton-Camembert"
Für den Architekten Paul Andreu, heute einer der gefragtesten Airport-Designer der Welt, ist es das erste Großprojekt. Mit seinem Team, zu dem auch Psychologen, Typografen und Musiker gehören, entwirft der damals 26-Jährige ein rundes, futuristisches Terminalgebäude aus Beton.
"Wir wollten alles so schlicht wie möglich halten, nichts verschönern", erklärt Andreu, "der Besucher soll die blanke Wirklichkeit sehen. Man fühlt sich sicher, wenn man sieht, wie alles funktioniert." Vor allem aber wollen Andreu und sein Team keinen Standard-Luftbahnhof bauen, sondern ein in Beton gegossenes Science-Fiction-Reiseerlebnis.
Aussicht aus dem Terminal 1 auf das Flugfeld
Ultralange Rolltreppen durchziehen scheinbar schwerelos unter durchsichtigen Decken das Terminal 1 von Paris-Charles-de-Gaulle. Endlose Rollteppiche bringen die Reisenden zu einem der sieben Flugsteige, die wie Satelliten um das rundliche Abfertigungsgebäude kreisen. Kritiker kanzeln den Bau als "schmucklose Trutzburg mit Bleifüßen" und "Beton-Camembert" ab.
Als zeittypisches Monument erhalten
Natürlich übersiedelt auch Frankreichs Staatslinie Air France von Orly nach Paris-Charles-de-Gaulle. Am 8. März 1974 weiht Ministerpräsident Pierre Messmer den 1,6 Milliarden Franc (mehr als 240 Millionen Euro) teuren Neubau ein und prophezeit ihm eine große Zukunft: "Fliegen entspricht den Wünschen, den Träumen und den Bedürfnissen der Menschen." Bereits im ersten Jahr starten und landen fünf Millionen Passagiere in Roissy. Heute sind es jährlich mehr als 60 Millionen.
In mehreren Baustufen ist Paris-Charles-de-Gaulle seither um weitere Terminals vergrößert worden. Der "Camembert", das wegweisende, aber marode gewordenen Terminal 1 von Paul Andreu, entgeht nach 30 Jahren einem geplanten Abriss. Das Raumschiff im Ackerland von Roissy wird als zeittypisches Monument aufwändig saniert.
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