Auerhuhn, Luchs, Habicht, Wolf: Der Bayerische Wald ist ein Eldorado für Tiere, deren Lebensraum über Jahrzehnte immer kleiner geworden ist. Denn hier an der tschechischen Grenze dürfen sich Gestrüpp und Getier nach dem Motto "Natur Natur sein lassen" frei entwickeln – seit das Gebiet rund um die Berge Rachel und den Lusen ein Nationalpark ist.
Zur Eröffnung am 7. Oktober 1970 reisen der Bayerische Staatsminister Hans Eisenmann und zahlreiche Landtagsabgeordnete in die dünn besiedelte Grenzregion. Immerhin sind die fortan besonders geschützten 13.000 Hektar der erste Nationalpark der Bundesrepublik.
"Wald vor Wild"
Dabei haben viele Einheimische noch keine Vorstellung davon, wie der angestrebte "Urwald für unsere Kinder und Kindeskinder" aussehen soll. Schließlich sind Nationalparks bis dahin eher exotische Orte in Afrika oder Amerika gewesen.
Aber was bedeutet es, wenn sich die Natur nach ihren eigenen Gesetzen entwickelt? "Und nicht so, wie wir sie im Kopf haben, wie sie sein soll", so Hans Bibelriether, erster Leiter des Nationalparks. So sorgt die Frage, wie "wild" der Nationalpark werden darf, auch von Beginn an für Diskussionen.
Anfangs ist es ein zu großer Rotwildbestand, der den Bäumen schadet und reduziert werden soll. Das bringt die Jäger auf, die Bibelriether drohen: "Wenn Sie das so weitertreiben, garantieren wir nicht mehr für Ihre persönliche Sicherheit." Es folgt ein bayerisches Waldgesetz, das festlegt: "Wald geht vor Wild".
Kahle Hänge und tote Fichten
Die größte Bewährungsprobe für den Nationalpark beginnt am 1. August 1983, als ein großer Sturm reihenweise Bäume umknickt. "Das war das erste Mal in Deutschland, dass großflächig Windwürfe liegen geblieben sind", erinnert sich Bibelriether.
Die kahlen Hänge sind für einige unerträglich, sie rufen nach der gewohnten Räumung und Aufforstung. Noch schlimmer: Das Totholz nährt den Borkenkäfer, der nun massenweise Fichten tötet. Doch der Nationalpark hält – trotz massiver Proteste – an seinen Prinzipien fest und überlässt die Natur sich selbst.
Ein Paradies für Borkenkäfer - und andere Tiere
So wächst über die Jahre ein neuer, strukturreicher Wald heran, ein Urwald, der rund 11.000 nachgewiesene Arten beheimatet und zusammen mit dem tschechischen Nationalpark Šumava das größte zusammenhängende Waldschutzgebiet Europas bildet. Heute erfolgt auf 72 Prozent der Fläche des Bayerischen Waldes kein menschlicher Eingriff mehr. Bis 2027 soll dieser Anteil auf 75 Prozent steigen.
- 1. Oktober 1985 - Nationalpark Wattenmeer errichtet | mehr
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