Copacabana, Ipanema und Zuckerhut: Rio de Janeiro klingt nach Sonne, Samba und - seit 2014 - in deutschen Ohren auch nach Fußball-WM-Sommermärchen. "Meine Seele jauchzt, wenn ich Rio de Janeiro sehe", singt der heimische Bossa-Musiker Tom Jobim. Auch der österreichische Schriftsteller und Brasilienfan Stefan Zweig schreibt ihr ein Loblied.
"Hier ist das Meer, aber das Meer in all seinen Formen und Farben", notiert Zweig. "Da sind Gebirge, aber jeder Gipfel und Hang anders geformt, schroff, grau, felsig der eine, umgrünt und weich der andere. Und inmitten der Natur die Stadt selbst, ein steinerner Wald, mit ihren Wolkenkratzen und Palästen, mit ihren Negerhütten und Ministerien, Badestränden und Kasinos. Es gibt keine schönere Stadt auf Erden."
"Rettet dies arme Brasilien"
Die Geschichte der Stadt beginnt rund 60 Jahre vor ihrer Gründung – und mit einem Irrtum. Damals landet die erste Flotte portugiesischer Eroberer an der Ostküste Brasiliens. Die Seefahrer halten die Guanabara-Bucht fälschlicherweise für einen Fluss und nennen ihren Stützpunkt nach dem Ankunftsmonat "Januar-Fluss": Rio de Janeiro. Von hier aus wollen die Portugiesen Gold, Edelmetalle und andere Reichtümer in die Heimat schiffen. Aber in der Gegend scheint nicht viel zu holen zu sein, weshalb sich ihr Interesse allmählich verliert.
Den Franzosen aber ist die portugiesische Besiedelung Brasiliens ein Dorn im Auge. Im Wettstreit um See- und Handelswege schickt Henri II. Korsaren vor, die die portugiesischen Stützpunkte an der Küste angreifen und sich an einigen Orten niederlassen. Als Hugenotten sind die Franzosen nicht nur ökonomische, sondern auch religiöse Konkurrenten. Und so schreibt der portugiesische Jesuitenpater Manuel da Nóbrega von seinem Missionsstützpunkt Bahia aus einen Verzweiflungsbrief nach dem anderen Richtung Lissabon: "Lasst nicht länger warten. Ich sehe alles sich verlieren. Rettet dies arme Brasilien."
Gründung ohne Glanz
Rund zehn Jahre lässt sich Portugal Zeit, um zu reagieren, dann kommt Rettung. Am 1. März 1565 landet Estació de Sá mit drei Jesuitenpatern, 30 Indios und 300 Söldnern in der Guanabara-Bucht, errichtet in aller Eile einige Lehmhütten und erklärt das Ganze kurzerhand zur Stadt "Sao Sebastiao do Rio de Janeiro". Es ist eine Gründung ohne Glanz und ohne zeremonielle Weihen. Schließlich gilt es, die Franzosen zu vertreiben. Aber Rio de Janeiro wächst schnell zur Großstadt, mit eigenem Rathaus, eigener Gerichtsbarkeit und öffentlicher Richtstätte – und von Anfang an mit sozialer Ungleichheit, Hunger und Kriminalität.
Von Rio de Janeiro aus verteilen die Portugiesen nach ihrem Sieg über die Franzosen drei Jahrhunderte lang ihre insgesamt rund sieben Millionen afrikanischen Sklaven auf die Zuckerplantagen und Goldminen im Hinterland. Als Napoleon Bonaparte Anfang des 19. Jahrhunderts Portugal angreift und der ganze Hofstaat nach Brasilien flieht, wird die Stadt zur mondänen Metropole. Die Kolonie wird Kaiserreich und Rio de Janeiro Hauptstadt. 1960 wird der Titel an Brasilia als Stadt der Zukunft weitergereicht. Die Auszeichnung zur schönsten Stadt der Welt aber verleihen ihr Bewunderer immer noch – trotz Favelas, Bandenkriminalität und Drogenkriegen.
Stand: 01.03.2015
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 1. März 2015 ebenfalls an die Gründung Rio de Janeiros. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.