Geldscheine und Münzen

9. Mai 1971 - Westdeutschland gibt den Wechselkurs der D-Mark frei

Stand: 09.05.2016, 00:00 Uhr

In der Nachkriegszeit ist der US-Dollar noch hartes Geld. Doch nichts schwächt eine Volkswirtschaft schneller als ein Krieg. Während des Vietnamkriegs schwemmt die US-Regierung Dollarscheine auf den Markt, um Truppen und Waffen bezahlen zu können. Die westlichen Verbündeten zahlen mit – ob sie wollen oder nicht. Denn ihre Währungen haben, wie die Deutsche Mark, einen festen Wechselkurs zum Dollar. Auch die Bundesbank ist verpflichtet, die Dollarnoten zum vereinbarten Festpreis zu kaufen. So finanziert die Bundesrepublik den Vietnamkrieg indirekt mit. Bundeskanzler Willy Brandt und sein Wirtschaftsminister Karl Schiller (beide SPD) beenden diese Praxis am 9. Mai 1971. "Wir werden nun für einige Zeit den Wechselkurs der Mark freigeben", kündigt Brandt an, auf unbestimmte Zeit.

Westdeutschland hat lange Zeit vom festen Wechselkurs profitiert

Die anderen Partner der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, wie Frankreich und die Benelux-Länder, folgen dem deutschen Wirtschaftsminister Karl Schiller und seinen Maßnahmen gegen die Dollarflut jedoch nicht. Die französische Zeitung "Paris Jour" kommentiert umgehend: "25 Jahre nach der Kapitulation des nazistischen Deutschlands wird die Bundesrepublik, die über die stärkste Währung innerhalb der EWG verfügt, das Schicksal Europas in gewisser Weise 'bestimmen'".

Tatsächlich ist die Freigabe des Wechselkurses eine Revolution. Denn vom festen Wechselkurs zum US-Dollar haben die Westdeutschen lange profitiert. Solange der Dollar hart war, konnte die BRD günstig exportieren, VW-Käfer, Aspirin-Tabletten, Schiffe und ganze Kraftwerke. Dadurch wurde die deutsche Währung wertvoll. Das war wichtig, denn die beiden Weltkriege hatten den deutschen Kapitalmarkt zerstört hinterlassen.

Doch in den 1970er-Jahren setzen die Gewerkschaften enorme Lohnzuwächse durch. Gleichzeitig machen den Menschen sechs Prozent Inflation und eine einsetzende Massenarbeitslosigkeit zu schaffen. Karl Schiller bezeichnet die Freigabe des Wechselkurses als der "labilen und diffizilen Konjunkturlage besonders angepasst".

"Wir sind der Hauptprofiteur der Euroeinführung"

Mit dem freigegebenen Wechselkurs bekommen die Deutschen 1971 für eine D-Mark nun mehr Dollar. Viele Menschen können sich nun Reisen in die USA leisten - und neue Jeans. Um dem Handel Sicherheit zu geben, drängt vor allem die Bundesrepublik immer wieder auf ein neues, festes Währungssystem für Europa. Erst 1992 wird endlich die Europäische Union gegründet, 2002 dann der Euro eingeführt.

Ohne Europa und ohne den Euro würde es der deutschen Wirtschaft vermutlich schlechter gehen. "Wir sind der Hauptprofiteur der Euroeinführung", sagt Kapitalmarktexperte Robert Halver von der Baader-Bank. Hätte Deutschland noch die D-Mark, würde der Export durch regelmäßige Aufwertungen gebremst. Weil andere Euroländer aber kriseln, bleibt der Euro schwach – und Deutschland kann billig exportieren. Der deutsche Staat hat im Jahr 2015 16,4 Milliarden Euro Überschuss erwirtschaftet, konnte Schulden abbauen. Davon haben die Regierenden zu D-Mark-Zeiten geträumt.

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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 9. Mai 2016 ebenfalls an die Freigabe des Wechselkurses. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.