Deutscher Bundestag. 222. Sitzung der 14. Wahlperiode: Otto Schily, Innenminister der rot-grünen Koalition von Kanzler Gerhard Schröder (beide SPD) kritisiert die Opposition: "Sie verschanzen sich hinter Ihren Vorurteilen. Sie sind auf der Flucht vor der Verantwortung" Gemeint ist Unions-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU), der Rot-Grün vorwirft: "Es geht um einen Paradigmenwechsel zu einer multikulturellen Einwanderungsgesellschaft."
Anwerbung von "Gastarbeitern"
Dabei hat die Bundesrepublik seit den 1950er-Jahren schon mehrere Einwanderungswellen hinter sich. Sogenannte Gastarbeiter vor allem aus der Türkei und aus Südeuropa werden angeworben.
Der Migrationsforscher Herbert Brücker von der Humboldt-Universität Berlin: "Die Idee war, dass diese Menschen Arbeit machen, die wir nicht mehr machen wollen. Und dann sollten sie auch wieder gehen." Die Realität ist eine andere.
1973 erfolgt ein Anwerbestopp, als wegen der Ölkrise die Wirtschaft lahmt und die Arbeitslosigkeit steigt. Deutschland schottet sich ab. Nur über den Familiennachzug kann man noch kommen - oder als Flüchtling. Aber Millionen Menschen "mit Migrationshintergrund" leben in der Bundesrepublik. Dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, wird dennoch jahrzehntelang vor allem von Unionspolitikern bestritten.
Rot-Grün beginnt mit "Green Card"-Verordnung
1998. Die rot-grüne Koalition unter Kanzler Schröder kommt an die Regierung. Und will nichts weniger, als die Einwanderungspolitik auf ein komplett neues Gleis setzen. Vor allem IT-Fachkräfte sollen einwandern dürfen, denn die fehlen damals in Deutschland. Und: Das Ankommen und Sich-Einleben soll einfacher werden – mit der Hilfe von sogenannten Integrationskursen.
Eine sogenannte "Green Card" zur Einwanderung von IT-Spezialisten bringt Rot-Grün schon im Jahr 2000 als Verordnung auf den Weg. Doch die neue Linie soll auch gesetzlich verankert werden. Aber es gibt heftigen politischen Widerspruch: "Statt Inder an die Computer müssen unsere Kinder an die Computer", sagt etwa der CDU-Politiker Jürgen Rüttgers. Gerade Unionspolitiker machen Stimmung gegen die Reformpläne.
20 Jahre später wieder Reformbedarf
Am 1.März 2002 stimmt der Bundestag für das neue Zuwanderungsgesetz, zunächst bringt es Rot-Grün auch durch den Bundesrat - doch später wird es wegen eines Streits um einen Abstimmungs-Eklat in der Länderkammer vom Bundesverfassungsgericht gekippt. Erst 2005, nach zahlreichen Vermittlungsrunden und eher kosmetischen Änderungen, tritt es dann doch in Kraft - selbst die CDU stimmt zu.
2021 verspricht die Ampelkoalition eine weitgehende Überarbeitung der Zuwanderungsregeln: Arbeitsmigration soll erleichtert werden. Weiterhin sorgen die Themen Zuwanderung und Integration für politische Kontroversen.
Autorin des Hörfunkbeitrags: Kerstin Hilt
Redaktion: Matti Hesse
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 1. März 2022 an die Verabschiedung des Zuwanderungsgesetzes. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
ZeitZeichen am 02.03.2022: Vor 50 Jahren: Club of Rome stellt Studie "Grenzen des Wachstums" vor