Eine fiktive Fernseh-WG, die Prominente zum Vorstellungsgespräch bittet? Eine Talk- und Spielshow live aus der Wohnküche - wer soll sich so etwas ansehen? Viele sind skeptisch, als am 9. Juli 1996 die erste Sendung "Zimmer frei" mit Christine Westermann und Götz Alsmann über die Bildschirme flimmert.
Der "Kindergeburtstag für Erwachsene", wie Alsmann die WDR-Sendung gerne bezeichnet, ist eine einstündige Mischung aus Essen, Gesprächen, Spielchen, Hausmusik, Comedy, Alkohol und Lobhudeleien. Am Ende stimmt das Studiopublikum mittels grüner und roter Karten ab, ob die WG Zuwachs bekommt oder nicht.
Vom Pausenfüller zum Dauerbrenner
Der erste Gast ist Volksmusiker Karl Moik - er ist auch der Erste, der 2011 eine zweite Einladung erhält. Dass es die Sendung so lange gibt, ist nicht geplant. "Ursprünglich waren wir der Sommerloch-Füller - wie hat einer gesagt: Bildschirmschoner", so Westermann. Doch aus sechs Wochen werden 20 Jahre und aus 18 Gästen 700.
Das liegt vor allem am ungleichen Moderatoren-Paar. Er ein promovierter Musikwissenschaftler und bekennendes Spielkind, sie die seriöse Journalistin. "Das Anforderungsprofil für 'Zimmer frei'-Moderatoren bestand im Prinzip nur aus dem Satz: Wer hat Zeit?", erklärt Alsmann. Die Konstellation erweist sich als perfekt. Während Alsmann den geborenen Entertainer gibt, der auf keinen noch so abgedroschenen Kalauer verzichtet, ist Westermann für die ruhigeren Momente zuständig. Mit tiefsinnigen Fragen beleuchtet sie den Charakter des Bewerbers.
Eklat um Jobatey
Das Duo ist schmerzfrei, schlägt auch oft über die Stränge. In einem Fall etwas zu sehr: Als sie Legastheniker Cherno Jobatey eine Buchstabensuppe vorsetzen, verlässt der verärgerte Fernseh-Moderator für zehn Minuten die Aufzeichnung. Meistens aber geht das Konzept der Sendung auf und Prominente und Gastgeber machen sich im doppelten Sinne "anständig" zum Affen. Unvergessen, wie Guido Westerwelle mit Langhaarperücke am Lagerfeuer sitzt oder Anke Engelke als enthemmtes Funkenmariechen das Studio aufmischt.
Besonders viel Eigenhumor beweisen Chorleiter Gotthilf Fischer, Entertainer Harry Wijnvoord und Schlagerbarde Jürgen Drews, die von Alsmann als "nicht erwünscht" stets schon an der Türklingel abgewiesen werden. Apropos Türklingel: Ihr Sound hat sich in 20 Jahren ebenso wenig verändert wie die Eröffnungsmusik und der Gong des Bilderrätsels.
"Zimmer frei" wird ein Zuschauer-Hit und ein Grimme-Preis-gekrönter Dauerbrenner. Dennoch beschließt der WDR 2013 das Aus der WG - Kündigungsfrist drei Jahre. Die Programme des Senders müssten sich weiterentwickeln, lautet die offizielle Begründung. Die Moderatoren akzeptieren. Alsmann: "Man behandelt uns heute wie Könige. Ich möchte lieber so gehen, als dass ich irgendwann wie ein alter Köter vom Hof gejagt werde."
Autorin des Hörfunkbeitrags: Ariane Hoffmann
Redaktion: Ronald Feisel
Programmtipps:
Das "Zeitzeichen" läuft immer um 9.45 Uhr auf WDR 5 und um 17.45 Uhr auf WDR 3. Zudem gibt es das "Zeitzeichen" auch als Podcast.
Zeitzeichen am 10.07.2021: Vor 100 Jahren: Geburtstag der Charity-Ikone Eunice Kennedy Shriver