Fußball könnte so einfach sein: Der Ball ist rund, ein Spiel dauert 90 Minuten und Abseits ist, wenn der Schiri pfeift. Doch zumindest die letzte Regel ist so nicht mehr richtig. Denn seit einigen Jahren muss es korrekterweise heißen: Abseits ist auch, wenn der VAR eingreift.
VAR steht für "Video Assistant Referee" - auf deutsch kurz: Video-Assistent. Er meldet sich bei klaren Fehlentscheidungen, oder wenn der Schiedsrichter eine Szene übersehen hat. Die finale Entscheidung aber bleibt beim Referee auf dem Platz.
In Deutschland sitzen die Video-Assistenten in einem hochtechnisierten Keller in Köln-Deutz. Jeder Arbeitsplatz verfügt über Headsets und zahlreiche Monitore, um wirklich jede Kameraeinstellung aus dem Stadion nutzen zu können.
Niederlande machen den Anfang
Den Anfang in Sachen Videobeweis macht aber nicht die deutsche Bundesliga, sondern unser niederländischer Nachbar. Am 21. September 2016 wird im Pokalspiel zwischen Ajax Amsterdam und Willem II erstmals in einer offiziellen Begegnung ein Video-Assistent eingesetzt - und der greift auch gleich ein.
In der 58. Minute bringt Willem-II-Profi Anouar Kali seinen Gegenspieler unsanft zu Fall. Schiedsrichter Danny Makkelie zögert nicht lange und zeigt Gelb. "Meine erste Einschätzung war unabsichtliches Foulspiel, also gelbe Karte", erklärt Makkelie.
Doch der Unparteiische ist diesmal nicht auf sich alleine gestellt. In einem Übertragungswagen des niederländischen Fernsehens nimmt Pol van Boekel das Foul nochmal genauer unter die Lupe. "Ich hab mir die Szene mehrfach aus verschiedenen Perspektiven angeschaut. Danach war klar, dass es eine Rote Karte ist", so der Video-Assistent. Das teilt van Boekel mittels Funk-Headset seinem Kollegen auf dem Feld mit, der daraufhin seine Entscheidung korrigiert.
VAR bleibt umstritten
In der Fußball-Bundesliga wird der Videobeweis 2017 eingeführt - es folgen knapp 50 weitere Länder. Auf den ersten Blick ist der VAR ein Erfolg. Es gibt Untersuchungen, dass er mehr als 90 Prozent der klaren Fehlentscheidungen verhindert. Dennoch bleibt die Technik umstritten.
Viele kritisieren etwa die langen Spiel-Unterbrechungen, während eine Szene auf den Monitoren bis ins Letzte seziert wird. Die Überprüfung eines jeden Tores lässt zudem den spontanen Jubel der Fans schon im Keim ersticken. Und dann ist da noch die Tatsache, dass der Videobeweis gar nicht immer greift. Überprüft werden dürfen nur spielentscheidende Situationen, zu denen neben Toren auch Elfmeter, Rote Karten oder Spielerverwechslungen zählen. Um wirkliche Gerechtigkeit zu schaffen, müsste aber jeder Fehler korrigiert werden.
So bleibt festzuhalten, dass der Videobeweis die Sportart verändert hat. Eines aber gilt trotz - oder gerade wegen - der neuen Technik weiterhin: Über Fußball lässt sich herrlich streiten.
Autor des Hörfunkbeitrags: Tobias Altehenger
Redaktion: Ronald Feisel
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