Millionen von Tieren werden jedes Jahr als Schlacht- oder Zuchtvieh quer durch Europa gekarrt. Zu Beginn der 1990er Jahre steigt die Zahl der Transporte von Rindern, Schweinen, Schafen und Geflügel drastisch an. Einheitliche EU-weite Bestimmungen zum Schutz der lebenden Handelsware gibt es damals noch nicht.
Bilder von Transporten, bei denen die Tiere qualvoll zusammengepfercht viel zu lange unversorgt bleiben, erregen immer häufiger öffentliche Empörung. "Es ist ohne Frage eine Schweinerei, was da mit Schweinen, Rindern und anderen Tieren passiert", konstatiert etwa Moderator Tom Hegemann im WDR. Tierschützer brandmarken die oft unsinnigen, weil nur von Profitinteressen bestimmten Qualtransporte schlicht als Verbrechen.
Druck auf Bundesregierung wächst
Auch im Bundestag machen immer mehr Abgeordnete gegen die skandalösen Zustände mobil. Die SPD-Abgeordnete Marianne Klappert hält der Regierung von Kanzler Helmut Kohl (CDU) vor: "Es ist einer Kulturnation absolut unwürdig, durchgreifende Änderungen aus vorwiegend wirtschaftlichen Gründen immer wieder abzulehnen."
Ende Mai 1994 dann präsentiert Bundeslandwirtschaftsminister Ignaz Kiechle (CSU) den Entwurf einer Verordnung zum Schutz von Tieren beim Transport. Inhaltlich ist sie weitgehend deckungsgleich mit einer vom EU-Parlament erarbeiteten Regelung.
Drei weitere Jahre vergehen, bis die Bundesregierung am 25. Februar 1997 die Tierschutztransportverordnung (TierSchTrV) erlässt. Deutschlands Veterinären reichen deren Bestimmungen bei weitem nicht. Sie erklären das Transporttier zum "schutzbedürftigen Tier des Jahres 1997".
Positives Fazit nach 25 Jahren
Die TierSchTrV definiert Transport als "jede Bewegung von lebenden Wirbeltieren in einem oder mehreren Transportmitteln sowie alle damit zusammenhängenden Vorgänge". Neben den Fahrt- und Ruhezeiten regelt sie die Zeitabstände für das Tränken und Füttern sowie die Belüftung der Tiere. Fahrer und Betreuungspersonal müssen einen Sachkundenachweis erbringen.
Fürchterliche Bilder über skandalöse Tiertransporte, meist über EU-Grenzen hinaus, sorgen auch danach für Schlagzeilen. Dennoch habe sich nach 1997 sehr vieles verbessert, urteilt der Amtstierarzt im Kreis Steinfurt, Christoph Brundiers: "Die Ausstattung der Tiertransporter hat sich enorm weiterentwickelt, ebenso wie die Sachkunde des Personals - kein Vergleich mit den Zuständen vor 25 Jahren." Jeder Transport werde amtlich erfasst und überwacht.
Grenzen des EU-Rechts
Bis 2022 wurde die Tierschutztransportverordnung mehrfach ergänzt. Fahrten zum Schlachthof etwa dürfen nun bei mehr als 30 Grad Außentemperatur maximal 4,5 Stunden dauern. Dringenden Handlungsbedarf sieht Brundies aber noch bei Tiertransporten in Drittländer.
Laut Statistischem Bundesamt wurden 2019 rund 700.000 Rinder und mehr als zwei Millionen Schweine in Länder außerhalb Europas exportiert. Wegen anhaltender Missstände fordert Brundiers den obligatorischen Einbau von Videokameras in die Lkw. Ebenso nötig seien mehr Versorgungsstellen an den oft Tausende Kilometer langen Transportrouten.
Der Dokumentarfilmer Edgar Verheyen hat 2020 die Reisen von EU-Rindern nach Nordafrika und Zentralasien verfolgt. Seine ARD-Doku "Tiertransporte gnadenlos. Viehhandel ohne Grenzen" beweist, dass zehntausende Kühe, offiziell als Zuchtvieh deklariert, in Schlachthöfen landen und dort grausam geschächtet werden. Das heißt: Ohne Betäubung wird ihnen die Halsschlagader durchtrennt.
Autorin des Hörfunkbeitrags: Martina Meißner
Redaktion: Matti Hesse
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 25. Februar 2022 an die Tierschutztransportverordnung. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
ZeitZeichen am 26.02.2022: Vor 105 Jahren: Mount-McKinley-Nationalpark in Alaska geschaffen