Im März 1979 veröffentlicht "Der Spiegel" auf seiner Titelseite das Foto eines Mannes. Die Schlagzeile lautet: "DDR-Geheimdienstchef enttarnt". Jahrzehntelang gilt Markus Wolf im Westen als "Mann ohne Gesicht". Nun hat ihn der Überläufer Werner Stiller identifiziert - anhand dieser Aufnahme, die zuvor in Stockholm gemacht worden ist.
Geboren wird Markus Wolf am 19. Januar 1923 in Hechingen. Sein Vater ist Arzt, Kommunist und Schriftsteller. Nach der Machtübernahme von Adolf Hitler emigriert die Familie über die Schweiz und Frankreich nach Moskau.
Ausbildung in der Sowjetunion
Dort lernt Markus als Schüler Russisch und beginnt an der Hochschule für Flugzeugbau zu studieren. Nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion besucht er die evakuierte "Komintern"-Schule zur ideologischen Bildung. Er arbeitet bei einem Radiosender, der aus der Sowjetunion ins Deutsche Reich sendet.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrt "Mischa", wie er genannt wird, mit einer Gruppe Exilkommunisten nach Deutschland zurück. Er arbeitet beim Berliner Rundfunk und ist Berichterstatter bei den Nürnberger Prozessen. Er tritt in die SED ein und wird mit 29 Jahren Leiter des DDR-Auslandsnachrichtendienstes, der offiziell "Hauptverwaltung Aufklärung" (HVA) heißt und zum Ministerium für Staatssicherheit (MfS) gehört.
Stellvertreter von Mielke
Wolf unterstehen rund 4.000 Auslandsagenten, die im Westen in einflussreiche Positionen aufsteigen sollen. Einer von ihnen ist Günter Guillaume, der enger Mitarbeiter von Kanzler Willy Brandt (SPD) wird. Als der Stasi-Spitzel 1974 enttarnt wird, geht Wolfs Karriere trotzdem weiter: Er bleibt Stellvertreter von Erich Mielke, dem Minister für Staatssicherheit.
1986 verlässt Wolf das Ministerium. Er will sich mit der Aufarbeitung stalinistischer Verbrechen befassen. Im Frühjahr 1989 erscheint sein Buch "Troika". Es sorgt für Aufsehen, da es eine vorsichtige, doch deutliche Kritik an der offiziellen Geschichtsdeutung der SED ist.
Im Auftrag seines Landes
Nach dem Fall der Mauer setzt sich Wolf zunächst in die UdSSR ab. Als er zurückkehrt, wird er wegen Landesverrats verurteilt. Das Bundesverfassungsgericht hebt das Urteil auf, Wolf habe damals im Auftrag seines Landes gehandelt.
Wolf bleibt in der Öffentlichkeit präsent. Er gibt Interviews und verfasst ein Kochbuch. Nach seinen Memoiren will Markus Wolf auch ein Buch über die "Rote Kapelle", eine Widerstandsgruppe gegen die Nazis, schreiben. Doch er stirbt am 9. November 2006 mit 83 Jahren in Berlin.
Autor des Hörfunkbeitrags: Thomas Klug
Redaktion: Hildegard Schulte
Programmtipps:
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 9. November 2021 an Markus Wolf. Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.
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