Berlin, 21. und 22. April 1946. Die Staatsoper ist vorübergehend im Admiralspalast in der Friedrichstraße untergekommen. Auf der Bühne sind drei Bilder zu sehen: Karl Marx und Friedrich Engels zählt die KPD zu ihren Idolen, August Bebel steht für die SPD. Die beiden Parteien, die sich hier zum Vereinigungsparteitag treffen, sind ungleich repräsentiert.
Im Sowjetischen Sektor soll die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) entstehen. "Die Vereinigung war das Ergebnis von Propaganda, von Druck, von Versprechungen, die man sozialdemokratischen Funktionären gemacht hat", sagt Historiker Ulrich Mählert. Einige Sozialdemokraten seien verhaftet worden. "Manche wurden nach Moskau verschleppt."
Erbitterte Konkurrenten
KPD und SPD sind seit Langem erbitterte Konkurrenten - spätestens seit dem 1919 niedergeschlagenen Spartakusaufstand. Die Kommunisten sehen sich als revolutionäre Alternative zu den Sozialdemokraten. Die KPD übernimmt sogar Stalins These vom Sozialfaschismus: zwischen Sozialdemokraten und Faschisten gebe es kaum Unterschiede.
KPD und SPD betrachten sie auch noch als Feinde, als die Nazis an die Macht gelangen und Sozialdemokraten und Kommunisten gleichermaßen terrorisieren. 1933 werden die KPD-Mandate im Parlament annulliert. Und Adolf Hitler brüllt Otto Wels nieder, als er für die Sozialdemokraten im Reichstag das "Ermächtigungsgesetz" ablehnt. KPD- und SPD-Mitglieder kommen ins KZ.
SPD hat stärkeren Zulauf
Wie kann es nun nach dem Zweiten Weltkrieg weitergehen mit zwei Parteien, die sich als Arbeiterparteien verstehen? Gemeinsam? Getrennt?
"Die KPD-Führung entschied sich erst dann, auf die Vereinigung zu drängen, als im November 1945 bei den Wahlen in Ungarn und Österreich deutlich wurde, dass die Kommunisten dort weit abgeschlagen waren", so Historiker Mählert. Auch in Deutschland habe die SPD stärkeren Zulauf als die KPD gehabt, trotz aller Unterstützung durch die Sowjets.
KPD dominiert SPD
In der SPD gibt es viele Zweifler an einer Vereinigung. Zu ihnen gehört zunächst auch Otto Grotewohl. Doch auf dem Vereinigungsparteitag, der am 22. April 1946 endet, wird er einer der beiden SED-Vorsitzenden. Der andere Vorsitzende ist der Kommunist Wilhelm Pieck.
Ihr Händedruck wird zum Symbol der SED und ziert fortan das Parteiabzeichen. Doch gleichberechtigt sind die Sozialdemokraten nicht. Grotewohl steigt zwar zum DDR-Ministerpräsidenten auf. Aber die Kommunisten bauen die SED in eine stalinistische Kaderpartei um. Die Ost-SPD spielt keine Rolle mehr.
Autor des Hörfunkbeitrags: Thomas Klug
Redaktion: Ronald Feisel
Programmtipps:
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 22. April 2021 an den Vereinigungsparteitag des SED. Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.
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