Ausgehend von der arabischen Halbinsel, Syrien und Ägypten, dringen muslimische Reiterhorden im 8. Jahrhundert immer weiter nach Nordwesten vor. 711 setzen sie auf die iberische Halbinsel über. Dort stellt sich ihnen lange kaum Widerstand entgegen. Die Folge: In wenigen Jahren bringen Araber und Berber ein Gebiet unter Kontrolle, das sich bis in den Süden des heutigen Frankreich erstreckt.
Marco Schöller, Islamwissenschaftler an der Universität Münster, bezeichnet die Expansion der Muslime als "Geschichte von Warlords". Es seien immer einzelne Führer, "die militärische Macht haben, die das nehmen, was sie können". Religiöse Gründe spielen laut Schöller weniger eine Rolle.
Der arabische Heerführer Abd ar-Rahman Ghafiqi greift 732 das Herzogtum Aquitanien in Südwestfrankreich an. Nach blutiger Schlacht fällt die Hauptstadt Bordeaux in die Hände der Araber, die ihren Raubzug nach Südosten ausdehnen. Herzog Eudo von Aquitanien stellt sich dem muslimischen Eindringling mit seinen Mannen entgegen - vergebens, heißt es in einer Chronik.
Mit dem erfolgreichen Vorstoß über die Pyrenäen stehen die Angreifer jetzt im Reich der Merowinger. Der unterlegene Herzog Eudo ist dem fränkischen Herrscherhaus verpflichtet, ebenso wie ein Mann namens Karl, einem aus dem moselfränkischen Raum stammenden Heerführer und "Hausmeier" der fränkischen Könige.
732 gilt der Merowinger Theuderich nurmehr als "lame duck" auf dem fränkischen Thron. Der neue starke Mann ist sein Hausmeier Karl, der wegen seiner militärischen Härte als Karl Martellus, "Karl, der Hammer" in die Geschichte eingeht. Den Beinamen bekommt der Aufsteiger allerdings erst später.
Nur eine Schlacht unter vielen
Karl Martell stellt ein schlagkräftiges Heer mit etwa 15.000 Mann zusammen und trifft sehr wahrscheinlich am 25. Oktober 732 bei den Städten Tours und Poitiers auf ungefähr genauso viele Kämpfer Abd ar-Rahmans.
Die Muslime werden zurückgeschlagen und ziehen sich später über die Pyrenäen zurück. Karl Martell triumphiert und festigt seine Stellung als eigentlicher Herrscher im fränkischen Reich. Danach geht es in den nächsten Krieg gegen Burgund und die Provence. 732 ist also eine Schlacht unter vielen, die offenbar weder bei Zeitgenossen noch nachfolgenden Generationen großen Nachhall findet.
Später wird die Schlacht in der mittelalterlichen Geschichtsschreibung umgedeutet. Und im 18. Jahrhundert beginnt die mythologische Verklärung der Schlacht. Martell wird als Retter des christlichen Abendlandes dargestellt, der die heranbrandenden Horden der Muslime zermalmt. Bis heute beziehen sich etwa französische Rechtspopulisten auf Martell - aber auch der rechtsterroristische Attentäter von Christchurch, Neuseeland.
Autor des Hörfunkbeitrags: Herwig Katzer
Redaktion: Gesa Rünker
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 25. Oktober 2022 an Karl Martell und die Schlacht bei Tours und Poitiers. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
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