20. Dezember 1972 - Todestag des Schriftstellers Günter Eich

Der Schriftsteller gilt in der Literaturszene der jungen Bundesrepublik als Einzelgänger. Seine Gedichte und Hörspiele irritieren Teile des Publikums. Günter Eich prägt die deutsche Nachkriegsliteratur.

Geboren wird Günter Eich 1907 in Brandenburg. Der Vater arbeitet als Landwirt und Gutsverwalter. Die Familie zieht nach Berlin. Eich studiert dort und später in Leipzig und Paris. Sein ungewöhnliches Fach: chinesische Sprache und Dichtung.

Mit Anfang 20 veröffentlicht Eich erste Gedichte, romantische Naturlyrik. Nichts davon lässt er später gelten. Und er wendet sich ab 1930 einem neuen literarischen Medium zu und schreibt Märchenbearbeitungen für Kinder, Unterhaltungsstücke und Hörspiele. Nach 1933 arbeitet er weiter - für das Radio der Nationalsozialisten. Er betreibt keine Propaganda, richtet sich in einer Nische ein, leistet keinen Widerstand.

Nach dem Krieg eine andere Lyrik

1945 kommt Günter Eich in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Als er danach wieder zu schreiben beginnt, klingt seine Lyrik nicht mehr romantisch aufgeladen, sondern reduziert, sachlich.

Günter Eich, Schriftsteller (Todestag, 20.12.1972) WDR ZeitZeichen 20.12.2022 14:52 Min. Verfügbar bis 20.12.2099 WDR 5

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Eichs Ehefrau, die Schriftstellerin Ilse Aichinger | Bildquelle: Brigitte Friedrich/INTERFOTO

Eich wirkt in Gesprächen ruhig, nachdenklich. Auf Fotos sieht man ihn mit hoher Stirn, schmalen Lippen, manchmal lächelt er leicht, doch der Blick durch die Brille ist skeptisch, distanziert. Mit seiner kargen, eindringlichen Lyrik wird er bekannt.

Eich schließt sich der Gruppe 47 an, in der über die Literatur der Gegenwart gestritten wird. Dabei sind Schriftstellerinnen wie Ilse Aichinger, Ingeborg Bachmann und Heinrich Böll.

1950 bekommt er den ersten Preis der Gruppe 47 zugesprochen, für Gedichte, die in der Sammlung "Botschaften des Regens" erscheinen. Eich prägt nicht nur die Lyrik der 1950er- und 1960er-Jahre, sondern mit einer ganzen Reihe von bedeutenden Stücken auch die Kunstform des Hörspiels.

Wütende Anrufe beim Sender

Mit seiner kargen, eindringlichen Lyrik wird Eich bekannt | Bildquelle: dpa

Die Sendung seines Stücks "Träume" im NWDR am 19. April 1951 löst eine gewaltige Protestwelle aus. Das Hörspiel besteht aus fünf Szenen, rätselhaft, verstörend, Träume von Menschen in Gütersloh, Moskau, New York, China und Australien. Im ersten wird eine Familie eines Nachts grundlos verhaftet, in einen dunklen Güterwaggon gesperrt, der immer schneller an einen unbekannten Ort rollt. Wütende Anrufe gehen daraufhin beim Sender ein.

Auch mit seinen anderen Hörspielen erreicht er ein Millionenpublikum in der jungen Bundesrepublik. Für "Die Andere und Ich" erhält er 1953 den Hörspielpreis der Kriegsblinden. 1953 heiratet Eich die Schriftstellerin Ilse Aichinger. Sie ziehen sich gemeinsam aufs Land zurück.

Eich äußert sich kaum tagespolitisch, misstraut jeder Ideologie. Er ist ein Einzelgänger, der immer kompromissloser, eigensinniger, dabei auch gelassener und humorvoller wird. 1964 schreibt er sein letztes Hörspiel, danach gibt er die Arbeit für den Rundfunk auf. Am Ende seines Lebens erfindet er eine eigentümliche Mischform von Prosa und Lyrik.

Kritik und Publikum rätseln über seine anarchischen Miniaturen und ihre absurden Gedankengänge - geprägt von seinem humorvoll-gelassenen Blick auf die Welt. Günter Eich stirbt am 20. Dezember 1972 mit 65 Jahren in Salzburg. 

Autor des Hörfunkbeitrags: Christian Kosfeld
Redaktion: Gesa Rünker

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 20. Dezember 2022 an den Todestag des Schriftstellers Günter Eich. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

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