Dinner Clubs sind Anfang des 20. Jahrhunderts eine gesellschaftliche Institution in London. Man trifft sich exklusiv mit seinesgleichen, um opulent zu speisen und in gediegenem Ambiente Konversation zu treiben. Der Schriftstellerin Catherine Amy Dawson Scott allerdings fehlt noch ein Club: "Ein Zentrum, an dem wohlbekannte Schriftsteller beiderlei Geschlechts verkehren können und hoffen dürfen, illustre Gäste aus dem Ausland zu treffen."
Kurz entschlossen lädt Dawson Scott 40 führende Vertreter der britischen Literaturszene, darunter George Bernard Shaw und John Galsworthy, zu einem festlichen Dinner ins Londoner Künstlerviertel Soho. Am 5. Oktober 1921 gründen sie im Restaurant "Florence" eine Vereinigung der "poets, essayists and novelists", kurz PEN genannt. Es ist die Geburtsstunde des größten und bedeutendsten internationalen Autorenverbandes.
"No Politics"? – Eine Illusion
Drei Jahre nach den Schlachten des Weltkriegs sollen Autorenfreundschaften über Ländergrenzen hinweg hasserfüllten Nationalismen entgegenwirken. John Galsworthy, der spätere Literaturnobelpreisträger, wird erster Präsident des PEN Club. Dawson Scott regt außerdem an, rund um den Globus autonome nationale Zentren zu gründen. Die wichtigste Bedingung dafür sei, wie Galsworthy in seiner Antrittsrede betont: "No politics. under no circumstances“ - keine Politik, unter keinen Umständen.
Als sich der PEN 1926 eine offizielle Charta gibt, sind bereits in vielen Ländern nationale Zentren aktiv. Doch Galsworthys Vision von "No politics", von Literatur als einer "allen Staaten gemeinsame Währung", stößt schnell an ihre Grenzen. Angesichts zunehmender ideologischer Spannungen, von Kommunismus, Faschismus und Kolonialismus weltweit, widerspricht der deutsch-jüdische Schriftsteller Ernst Toller hellsichtig: "Politik ist überall und beeinflusst alles."
PEN-Mitglieder im Exil
Beim Kongress in Dubrovnik 1933 - inzwischen gehören dem PEN 4.000 Mitglieder auf vier Kontinenten an - kommt es zum Eklat: Die offizielle deutsche Delegation besteht nur aus den Nazis genehmen Schriftstellern. Ihnen gegenüber stehen Emigranten wie Ernst Toller, Heinrich Mann und Alfred Kerr oder in Deutschland gebliebene Autoren wie Erich Kästner, die nun miterleben, wie ihre Bücher verbrannt werden. Nach heftigen Diskussionen reist die Nazi-Delegation demonstrativ ab; die emigrierten Autoren bilden ihr eigenes Zentrum, den “PEN-Club deutscher Schriftsteller im Exil".
Nach 1945 nimmt PEN International seine Arbeit wieder auf und organisiert sich in diversen Untergruppen, sogenannten Komitees. Das älteste, "Writers in Prison", kümmert sich um inhaftierte Autoren. Denn, so hatte schon Galsworthy gemahnt: "In Diktaturen, in autoritären Regimen sind die ersten, die eingesperrt werden, immer die Schriftsteller und Journalisten“.
Misstrauen nach der Deutschen Einheit
Der deutsche Nachkriegs-PEN entsteht 1948 in Göttingen neu; zu seinen Gründern zählen unter anderem Kästner und etliche heimgekehrte Exilanten wie Anna Seghers und Hermann Kesten. Nach der Gründung der Bundesrepublik und der DDR gerät auch die deutsche Literaturszene unter den Druck des beginnenden Kalten Kriegs. Sie spaltet sich in "Ost"- und "West-Sektionen" und 1951 schließlich in zwei getrennte deutsche PEN-Zentren – bis 1998.
"Es gibt den Witz, nur der Club der Angler hätte noch länger gebraucht als die deutschen Schriftsteller für diese Vereinigung", sagt Regula Venske, die seit 2017 das PEN-Zentrum Deutschland leitet. Nach der Deutschen Einheit 1990 hatten sich DDR-Dissidenten wie Günter Kunert oder Herta Müller lange geweigert, mit früheren Stasi-Kollaborateuren und regimetreuen Autoren zusammenzuarbeiten.
Der Dachverband PEN International residiert nach 100 Jahren noch immer in London. Er organisiert die großen Kongresse mitsamt der offiziellen Galadinner und unterstützt Recherchen der inzwischen 144 unabhängigen nationalen Zentren. Seit 2015 steht mit der US-Schriftstellerin Jennifer Clement erstmals eine Frau an seiner Spitze.
Autorin des Hörfunkbeitrags: Jutta Duhm-Heitzmann
Redaktion: Gesa Rünker
Programmtipps:
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 5. Oktober 2021 an die Gründung von PEN International. Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.
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