Seit die Menschen Handel betreiben, wird auch gemessen: Dinge werden in die Waagschale geworfen, verglichen, ausgelotet, abgezählt. Dabei geht es nicht immer gerecht zu. In Baden gibt es lange für einen Schoppen mehr Wein als in Württemberg. Der österreichische Fuß ist um 30 Zentimeter länger als der Bayerische.
Im feudalistischen Europa existieren rund 10.000 verschiedene Längen-, Flächen-, Hohl-, Gewichts-, Stück-, Zählmaße. Nicht selten bestimmen Fürsten die Einheiten allein durch ihre Körper, etwa die Länge einer Elle. "Und deswegen waren dann eben halt oft auch diese Handelsbeziehungen erschwert", sagt Ingo von Stillfried vom Museum für Vermessungsgeschichte.
Die Suche nach dem Maß der Dinge
Zahlreiche Versuche, Einheitsmaße zu finden, scheitern nicht zuletzt an der Selbstverliebtheit der Herrschenden. Maß bedeutet Macht. Daher setzen sich die französischen Revolutionäre 1789 nicht nur für die Gleichheit der Menschen ein, sondern auch für die Gleichheit der Maße.
Die französische Nationalversammlung will eine Einheit, die für alle Menschen gleichermaßen gilt. Das neue Längenmaß, das man "Meter" nennt, soll den zehnmillionsten Teil der Strecke vom Nordpol zum Äquator betragen. Um den zu ermitteln, muss ein definiertes Stück der Gesamtstrecke genau vermessen werden.
Präsentation des Urmeters 1799
Damit beauftragen die Franzosen die Astronomen Pierre Méchain und Jean-Baptiste Delambre. Sie messen ab 1791 die Strecke von Dünkirchen bis Barcelona entlang eines Längengrades der Erde. Im Dezember 1799 kann der Zeremonienmeister in der Nationalversammlung schließlich verkünden: "Bürger, Repräsentanten des Volkes, dies ist der echte Meter, der Urmeter." Auf einem Samtkissen wird der einen Meter lange Platinstab präsentiert.
Größer und kleinere Längen sind nun in Zehnerschritten eingeteilt: Millimeter, Zentimeter. Bei der Gelegenheit wird auch gleich das Urkilogramm vorgestellt, das in Abhängigkeit vom Meter definiert ist. Es entspricht dem Gewicht, das ein Wasserwürfel mit einer Kantenlänge von zehn Zentimetern hat.
Einheitliche Maße ab 1872 im Deutschen Reich
Sieben Jahrzehnte später, am 1. Januar 1872, ist auch im gesamten Deutschen Reich Schluss mit Ellen, Meilen, Zöllen und der individuellen Auslegung von Längen-, Gewichts- und Volumenmaßen. Wilhelm I verkündet ein Gesetz, das den französischen "Meter" zur Basiseinheit bestimmt. Fortan enthält der Schoppen Wein in Baden die gleiche Menge wie in Württemberg.
Drei Jahre später unterzeichnen 17 Nationen die internationale Meterkonvention, in der sie das französische Einheitensystem übernehmen. Zugleich wird das "Büro für Maße und Gewichte" mit Sitz in Paris gegründet.
2018 einigen sich die Mitglieder der Meterkonvention darauf, das System der Maßeinheiten vollständig zu erneuern. Seither beruhen die Maßeinheiten alleine auf von der Natur vorgegebenen physikalischen Konstanten, die – nach heutigem Wissensstand – bis in alle Ewigkeit unveränderlich sind. Urmeter und Urkilogramm haben endgültig ausgedient.
Autorin des Hörfunkbeitrags: Claudia Friedrich
Redaktion: Gesa Rünker
Programmtipps:
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 1. Januar 2022 an die Einführungs des metrischen Systems in ganz Deutschland. Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.
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