8. Februar 1828 - Der Turnpädagoge Carl Philipp Euler wird geboren

"Barrenstreit" in Preußen: 1860 besteht der Turnpädagoge Carl Philipp Euler auf Geräteturnen im Schulunterricht. Die militärisch orientierte "Schwedische Gymnastik" lehnt er ab.

Beim Turnen geht es im 19. Jahrhundert nicht nur um Körperbeherrschung und Kraft, sondern auch um Politik: Deutschlands Turnbewegung fordert zusammen mit den Burschenschaften, den Flickenteppich deutscher Lande abzuschaffen und einen demokratischen Nationalstaat zu errichten. Die herrschenden Fürsten sehen darin eine Bedrohung ihrer Macht. Deshalb wird 1820 das Turnen auf dem Gebiet des Deutschen Bundes verboten.

1842 wird die Turnsperre in Preußen aufgehoben. König Friedrich Wilhelm IV. erkennt, dass die Bevölkerung Bewegung braucht. Er spricht von Gymnastik, um sich von der Turnbewegung abzugrenzen. Für ihn soll Gymnastik vor allem "eine harmonische Ausbildung der geistigen und körperlichen Kräfte" sein und "dem Vaterlande tüchtige Söhne" erziehen. Sie sei geeignet, "in den Kreis der Volkserziehungsmittel aufgenommen zu werden".

"Schwedische Gymnastik" oder deutsches Turnen?

Damit löst König Friedrich IV. eine Debatte aus: Mit welchen Inhalten soll das neue Unterrichtsfach an Schulen gefüllt werden? Am Ende setzt sich Hugo Rothstein, Offizier und Leiter der königlichen "Central-Turnanstalt" in Berlin, mit seiner Vorstellung von "Schwedischer Gymnastik" durch. Dieses körperliche Training lehnt Geräteturnen an Barren und Reck ab. Aufschwung, Umschwung und Salto seien etwas für den Zirkus.

Das sorgt für einen Aufschrei in der deutschen Turnerschaft: Barren und Reck sind damals der Inbegriff des deutschen Turnens. Dieser Meinung ist auch der Turnpädagoge Carl Philipp Euler, der ab 1860 als Dozent an der "Central-Turnanstalt" lehrt. Zuvor war er Schüler von Rothstein. Doch jetzt kommt es zwischen den beiden zur Konfrontation.

C. P. Euler, kämpfte für das Turnen (Geburtstag, 08.02.1828) WDR ZeitZeichen 08.02.2023 14:58 Min. Verfügbar bis 08.02.2033 WDR 5

Download

Auseinandersetzung mit dem Chef

Euler - der am 8. Februar 1828 in Kirchenbollenbach, dem heutigen Idar-Oberstein geboren wird - gehört dem zivilen Zweig der "Central-Turnanstalt" an. Er lehnt die "Schwedische Gymnastik" ab, weil sie militärisch orientiert ist. Der Hintergrund: Der preußische Staat will sich ein drittes, teures Jahr der Wehrpflicht für junge Männer sparen, indem Jungen bereits in der Schule auf das Soldatentum vorbereitet werden sollen.

Nachdem Rothstein Barren und Reck in der "Central-Turnanstalt" hat entfernen lassen, führt Euler die Turngeräte in seinem Unterricht wieder ein. Damit kommt es zum sogenannten Barrenstreit. Während Euler in der Auseinandersetzung mit seinem Chef diplomatisch bleibt, fetzen sich andere mit Rothstein ordentlich.

Euler setzt sich durch

In der Sache bleibt Euler hart. Rothstein tritt schließlich frustriert zurück. Barren und Reck werden in den Turnhallen wieder aufgestellt. Euler bleibt Pädagoge, bildet Turnlehrer aus und setzt sich für das Mädchenturnen ein. Dabei orientiert er sich an Adolf Spieß, der als Begründer des Schult- und des Mädchenturnens gilt.

Als gelernter Historiker, der sich bereits während des Studiums im akademischen Turnverein engagiert hat, schreibt Euler neben der "Geschichte des Turnunterrichts" unter anderem ein Buch über "Turnvater" Jahn und eine Enzyklopädie des Turnens, die zum Standardwerk wird und in Fachkreisen "der Euler" heißt.

Carl Philipp Euler stirbt am 15. September 1901 in Berlin. Heute gehört Turnen an Barren, Reck, Ringen oder Schwebebalken zwar noch zum Pflichtprogramm des Sportstudiums. Doch in der Schule heißt der Unterricht längst nicht mehr Turnen, sondern Sport. Turnen ist zu einer Sportart unter vielen anderen geworden.

Autorin des Hörfunkbeitrags: Irene Geuer
Redaktion: Gesa Rünker

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 8. Februar 2023 an Carl Philipp Euler. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

ZeitZeichen am 09.02.2023: Vor 105 Jahren: Mit dem "Brotfrieden" wird die Ukraine als autonomer Staat anerkannt