Sein Beiname klingt gütig und behutsam: Friedrich Ludwig Jahn gilt als "Turnvater". Dabei sind seine ersten öffentlichen Turnstunden auf der Berliner Hasenheide 1811 ein vormilitärisches Fitnessprogramm - denn Preußen macht mobil gegen die Herrschaft Napoleons.
"Dem ging es schlicht und einfach um die Schaffung einer Art jugendlich-männlicher Guerilla", sagt der Sporthistoriker Hans Joachim Teichler. Bereits 1810 gründet Jahn mit Freunden einen Geheimbund zur Befreiung. Offiziell lässt er aber nur turnen.
Ziel: "Ein Deutscher Mann werden"
Der Schulabbrecher und Hilfslehrer Jahn hat seine Berufung gefunden: "Des Deutschen Knaben und Deutschen Jünglings höchste Pflicht ist, ein Deutscher Mann zu werden und zu bleiben, um für das Volk und Vaterland kräftig zu wirken."
"Darum war das Turnen ausschließlich auf die Männer beschränkt und bezog vor allem wehrertüchtigende Übungen ein", sagt Historiker Teichler. Die Welt von Jahn ist voller Feinde: Juden, Polen, besonders aber Franzosen.
Ausgeglichene Bildung
Viele von Jahns Turnern schließen sich Freikorps an. Auch sie triumphieren, als Preußen und seine Verbündeten 1815 Napoleons Truppen endgültig besiegen.
Jahn selbst erhält nach Kriegsende einen Ehrensold. Turnen wird zur Massenbewegung. In seinem Hauptwerk "Die Deutsche Turnkunst" schreibt Jahn 1816, er wolle "die verloren gegangene Gleichmäßigkeit der menschlichen Bildung wiederherstellen, der bloß einseitigen Vergeistigung die wahre Leibhaftigkeit zuordnen".
Haft für Jahn
Beim Turnen kennt der am 11. August 1778 im brandenburgischen Lanz geborene Jahn keine ständischen Unterschiede. Er fordert den deutschen Einheitsstaat samt Wahlrecht für Männer, die die Wehrpflicht erfüllt haben. Da aber nach 1815 die reaktionären Kräfte in Preußen an Einfluss gewinnen, gelten die Turner nun als Störenfriede.
1820 wird das öffentliche Turnen verboten und Jahn muss als Aufrührer fünf Jahre in Haft. Eine Kränkung, die er bis zu seinem Tod am 15. Oktober 1852 in Freyburg nicht überwindet.
Vorturner für viele
Sein politisches Vermächtnis ist so widersprüchlich wie der Mann selbst. "Zurück zu Jahn, es gibt kein besseres Vorwärts!", lautet 1933 das Motto des ersten Turnfestes unter dem NS-Regime. "Wir können das Erbe Jahns nie in bessere und mächtigere Hände als die des Führers legen."
Nach dem Zweiten Weltkrieg feiert die DDR Jahn als bürgerlichen Rebellen, die Bundesrepublik den sozialen Pädagogen. Heute hat der Turnerbund rund fünf Millionen Mitglieder.
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