"Monsieur, wenngleich ich nicht die Genugtuung habe, Sie persönlich zu kennen, so sind Sie mir doch durch Ihre Werke sehr wohlbekannt", schreibt der 24-Jährige preußische Kronprinz Friedrich in seinem ersten Brief an den französischen Schriftsteller und Philosophen Voltaire.
Die auf den 8. August 1736 datierten Zeilen sind der Beginn einer lebenslangen Freundschaft – mit zahlreichen Höhen und Tiefen. "Beide waren Diven – aber es kann in der Regel nur eine Diva geben. Das Zusammentreffen zweier Diven ist grundsätzlich schwierig", erklärt der Historiker Wolfgang Burgdorf die Beziehung zwischen Voltaire und dem späteren Friedrich II., dem Großen.
"Inniglich gerührte" Korrespondenz
Der Beginn der Korrespondenz besteht vor allem aus Schmeicheleien. "Monseigneur, man müsste fühllos sein, um von dem Brief, mit dem Eure Königliche Hoheit mich zu ehren geruhten, nicht inniglichst gerührt zu sein", beantwortet der 41-jährige Voltaire den ersten Brief.
Dabei sind die wechselseitigen Lobeshymnen wohl kalkuliert. Mit der Freundschaft des Skandalautors Voltaire will sich Friedrich schon vor der Machtübernahme als fortschrittlicher Herrscher und Aufklärer par excellence positionieren.
Für den geldgierigen Voltaire ist die Nähe zum Hof Hohenzollern eine Möglichkeit, seine Stellung innerhalb Frankreichs zu verbessern, wo er fernab vom Königshaus im Exil leben muss.
Treffen am Niederrhein
1740 treffen sich Friedrich und Voltaire erstmals persönlich auf Schloss Moyland am Niederrhein. "Er hat die Beredsamkeit eines Cicero, die Anmut eines Plinius und die Weisheit eines Agrippa", schwärmt Friedrich später von Voltaire. Es folgen zahlreiche Einladungen, die der Franzose zunächst ablehnt.
Erst zehn Jahre später lässt sich Voltaire für ein fürstliches Jahreshonorar von 5.000 Reichstalern am preußischen Königshof nieder. Der Philosoph erteilt Friedrich II. nun Französischunterricht und inspiriert die abendliche Konversation.
Die anfängliche Harmonie bekommt bald Brüche. "Ich brauche ihn höchstens noch ein Jahr, länger nicht. Man presst die Orange aus und wirft dann die Schale weg", soll Friedrich II. über seinem Freund gesagt haben.
Eine (Brief-)freundschaft über vier Jahrzehnte
Dieser fällt wiederum in Ungnade, weil er aus Geldgier mit sächsischen Staatsanleihen spekuliert, was in Preußen tabu ist. Voltaire muss fluchtartig Potsdam verlassen, danach herrscht zwei Jahre Funkstille zwischen den beiden "Aufklärern".
Mit der Zeit verfliegt der Groll und sie nehmen ihre Korrespondenz wieder auf, die in vier Jahrzehnten auf rund 600 Schriftstücken anwächst. "Der ganze Briefwechsel ist schlicht brillant", sagt Historiker Wolfgang Burgdorf.
"So leben Sie denn!", fordert Friedrich der Große in seinem letzten Brief den gesundheitlich angeschlagenen französischen Philosophen auf. Vergeblich, Voltaire stirbt 1778, Friedrich II. acht Jahre später.
Autor des Hörfunkbeitrags: Christoph Vormweg
Redaktion: Ronald Feisel
Programmtipps:
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 8. August 2021 an den Briefwechsel zwischen dem Kronprinz Friedrich II. und Voltaire. Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.
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