"Ausgerechnet Münster" titelte Ende Juli die Wochenzeitung "Die Zeit" und machte damit auf ein Phänomen aufmerksam, das auf den ersten Blick überrascht. Die Stadt rühmt sich, Fahrradhauptstadt Nr. 1 zu sein, wo die Menschen nach einer aktuellen Umfrage 47 Prozent ihrer Wege mit dem Fahrrad zurücklegen - Tendenz steigend. Doch gleichzeitig gibt es in Münster auch immer mehr Autos.
12,7 Prozent mehr Autos
Nach aktuellen Angaben des Kraftfahrzeugbundesamtes waren in Münster am 1. Januar 2023 mehr als 150.000 Pkw gemeldet. Das waren 12,7 Prozent mehr als im Jahr 2014. Damit liegt die Kfz-Dichte in der fahrradfreundlichen Stadt Münster inklusive Motorräder und Lastwagen mit 559 pro 1.000 Einwohner nur leicht unter dem deutschlandweiten Wert von 583.
Kfz-Dichte im NRW-Vergleich
Kfz-Dichte in NRW liegt weit über dem Bundesdurchschnitt
Allerdings: Im NRW-Vergleich steht Münster immer noch sehr gut da. Ebenso Köln mit einer Kfz-Dichte von 540 und Gelsenkirchen mit 555. Das ist tatsächlich vergleichsweise wenig. Denn die Kfz-Dichte im bevölkerungsreichsten Bundesland lag am Jahresanfang bei durchschnittlich 698, mit Spitzenwerten in den Landkreisen Euskirchen (955) und Olpe (845) sowie in der Stadt Bonn (838).
Auto für längere Wege
Aber auch in Münster steigen die Kfz-Zulassungszahlen. Dabei gibt sich die Stadt viel Mühe, die Infrastruktur für Fahrradfahrer zu verbessern, etwa durch mehr und bessere Fahrradwege. Gleichzeitig verschlechtern sich die Bedingungen für Autofahrer in der Innenstadt. Parkplätze werden zu grünen Oasen mit Sitzgelegenheiten, wo sich Menschen niederlassen können. Ganze Fahrspuren verschwinden, oder werden für den Radverkehr freigegeben.
Und trotzdem spielt das Auto eine entscheidende Rolle. Die Mobilitätsexperten der Stadt Münster sagen, für längere Wege, vor allem aus der Stadt raus, sei weiterhin das Auto das bevorzugte Verkehrsmittel.
Diese Erkenntnis deckt sich mit den Erfahrungen von Mobilitätsforschern und ADFC. Sobald die Strecken länger werden, steigen viele Fahrradfahrer aufs Auto statt auf Bus oder Bahn um. Der öffentliche Personennahverkehr müsse genauso ausgebaut werden, wie Geh- und Radwege, forderte deshalb jüngst die ADFC-Bundesvorsitzende Rebecca Peters.
Hunderttausend Pendler täglich
Das wäre auch im Sinne der Stadt Münster. Denn Sorge bereiten ihr auch die hunderttausend Pendler, die täglich aus dem Umland zur Arbeit und zum Einkaufen nach Münster rein- und rausfahren, die Mehrzahl immer noch mit dem Auto, entweder weil die ÖPNV-Verbindungen nicht ausreichend sind oder aber man so ländlich wohnt, dass es weder Bus noch Bahn in erreichbarer Nähe gibt.
Das dürfte auch der Grund dafür sein, dass die Kfz-Dichte in vielen ländlichen Regionen von Nordrhein-Westfalen oft deutlich höher ist als in den Städten, wo es in der Regel ÖPNV-Angebote gibt. Landbewohner ohne Auto sind dagegen oft immer noch aufgeschmissen.