Polizeikosten für Hochrisikospiele: Wer zahlt jetzt? 03:42 Min. Verfügbar bis 17.01.2027

Fußball: Endlich nicht mehr für Gewalt-Ultras blechen | MEINUNG

Stand: 18.01.2025, 07:19 Uhr

Der Profifußball darf an den Polizeikosten für Hochrisikospiele beteiligt werden. Deutschlands höchste Richter stützen das Bremer Modell der Klub-Beteiligung an Einsatzkosen der Polizei. Auch NRW sollte solche Rechnungen stellen, findet unser Kolumnist Ralph Sina.

Von Ralph Sina

Bravo Bundesverfassungsgericht! Die endgültige juristische Niederlage des Milliarden-Players namens Deutsche Fußball Liga gegen die Hansestadt Bremen ist eine gute Nachricht für alle Steuerzahler, egal ob Fußball-Fan oder nicht. Zwar haben wir deswegen nicht mehr Netto vom Brutto. Aber ich sehe nicht ein, warum bei sogenannten "Hochrisikospielen" ausschließlich der Staat und damit wir für die Sicherheit rund ums und zum Teil auch im Stadion zahlen sollen.

Immerhin rund 50 Spiele pro Saison in der ersten und zweiten Liga fallen in diese Kategorie. Wann ein Bundesliga-Spiel in die Kategorie "Hochrisiko" fällt, bestimmt letztlich die Polizei.

Zu Recht. Die Polizei hat umfassende Erfahrung in Sachen Risiko-Minimierung und De-Eskalation. Polizisten und Polizistinnen halten bei dem häufig extrem militanten Ultra-Terror vor den Stadien buchstäblich ihre Knochen hin.

Ich bin sehr dafür, dass alle Bundesliga-Clubs der ersten und zweiten Liga in Deutschland bei den sogenannten "Rotspielen" finanziell in die Pflicht genommen werden! Ganz gleich, ob sich die Gewaltexzesse der Ultra-Fans in Dortmund, auf Schalke, in Gladbach und Köln, Frankfurt, Hamburg oder eben in Bremen abspielen. Ob die Vereine zur Kasse gebeten werden ist aber Ländersache und in NRW ist das aber wohl erstmal nicht vorgesehen.

Gewaltbereite Ultras verderben anderen Fans den Stadionbesuch

Damit wir uns nicht missverstehen: Die Sicherheit in den Stadien hat sich gerade wegen des Engagements der Vereine in den letzten Jahren verbessert. Als Essener und erklärter Rot-Weiss-Fan erinnere ich mich noch sehr genau an die Neunziger Jahre, als ich in Münster arbeitete und meinen damaligen Bundesliga-Club gern bei den Preußen erlebt hätte. Mein gesamter Freundeskreis traute sich nicht in das Preußen MS-Stadion. Schon gar nicht mit unseren damals kleinen Kindern. Die Situation im Stadion schien uns einfach zu unberechenbar. Das hat sich mittlerweile in der ersten und zweiten Liga geändert. Auch wenn es vereinzelt noch immer wegen der Pyrofetischisten und Rauchtopf-Brutalos zu Brandverletzungen im Stadion kommt.

Was aber nach wie vor bleibt und worum es mir hier geht, sind die Exzesse einer gewaltentschlossenen Minderheit von Ultra-Fans in Zügen und Straßenbahnen, an Bahnhöfen, in den Innenstädten und rund um die Stadien. Von deren Ausschreitungen bei Derby-Klassikern, wie Dortmund gegen Schalke, Köln gegen Mönchengladbach oder Köln gegen Leverkusen sind vor allem die Einsatzkräfte der Polizei betroffen. Und mit den damit verbundenen Mehrkosten indirekt alle, die Steuern zahlen.

Wohlgemerkt: Es geht nicht darum, sämtliche Kosten für die Zuschauer-Sicherheit in den Fußballstadien der ersten und zweiten Liga den einzelnen Clubs oder der DFL aufzuhalsen.

Aber Steuerzahler sollten nicht blechen, wenn bestimmte Lokal-Derbys, wie Bremen gegen den HSV oder Köln gegen Leverkusen von Gewalt-Kriminellen systematisch seit Jahren als "Schlacht-Feld" instrumentalisiert werden.

Profiteure müssen zahlen

Vor dem Bundesverfassungsgericht wies die DFL als Vertreterin der 36 Klubs der ersten und zweiten Bundesliga darauf hin, dass sie 110 Millionen Euro allein in der Saison 2022/23 in ein sicheres Stadionerlebnis investiert habe. Angesichts eines Jahresumsatzes von über 5,24 Milliarden Euro in derselben Saison finde ich dieses finanzielle DFL-Engagement allerdings auch angemessen. Ebenso angemessen ist es aus meiner Sicht, dass auch völlig Fußball-Desinteressierte einen Steuerzahler-Beitrag dafür zahlen müssen.

Das ist letztlich eine Investition in unser aller Zusammenleben. Denn der Fußball ist für unsere zersplitterte und gespaltene Gesellschaft von existentieller Bedeutung, weil er auch Gemeinschaft stiftet. Und das weit mehr als jede andere Sportart! Kolumnist Ralph Sina

Ein guter Bekannter von mir, der passionierter Fortuna Düsseldorf-Fan und unerschütterlicher Stadion-Gänger ist, spricht von 90 Minuten in denen das "WIR gegen DIE" ausgelebt werden kann. Wohlgemerkt unter der Bedingung, die gute Kinderstube nicht vollends über Bord zu werfen. Und in der Hoffnung, dass es nach dem Spiel wieder mehr WIR als DIE gibt.

Die Kosten sind für die Vereine ein wichtiger Anreiz zu handeln

Ein Argument, das ich den letzten Tagen öfter gelesen habe: Ja, auch die Profi-Clubs sind Steuerzahler. Laut DFL waren es allein in der Saison 2022/23 insgesamt 1,6 Milliarden Euro an Steuern und Abgaben. Deshalb haben sie auch ein gewisses Recht auf Sicherheit im und ums Stadion - aber eben bei gewöhnlichen Spielen. Hochrisikospiele dürfen aber nicht als "normal" angesehen werden.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts stranguliert außerdem finanziell keinen, der potenziell von Polizeirechnungen betroffenen NRW-Profi-Vereine. Dortmund, Mönchengladbach oder Leverkusen müssten keinen Spieler verkaufen, wenn die NRW-Landesregierung sie nach Hochrisikospielen an den zusätzlichen Polizeikosten beteiligen würde.

Aber der neue Kostendruck hätte aus meiner Sicht einen sehr wichtigen Lern-Effekt auf die Vereine - gerade der ersten Bundesliga. Sie müssten sich deutlich stärker als bisher dafür engagieren, dass gewaltbereite Fans kein Eigenleben führen und nicht zu einem völlig unkontrollierbaren Machtfaktor innerhalb des Vereins werden.

Wer - wie nach meinen Beobachtungen zum Beispiel Eintracht Frankfurt - die Härtesten auf den Stehplätzen nicht verärgern will, der schafft ein massives Problem. Verräterisch ist nicht nur für mich, wie zögerlich, wortkarg und einsilbig sich Bundesligavereine, wie zum Beispiel der 1. FC Köln nach Gewaltexzessen der eigenen Fans äußern.

Natürlich hat ein Profi-Fußballverein keinen disziplinarischen Durchgriff auf alle Mitglieder und Fangruppen! Aber ich komme in diesem Zusammenhang gerne noch einmal auf meinen geschätzten Heimatverein Rot-Weiss Essen zurück.

Der Drittligist zeigt in Sachen Kommunikation den Erstligisten, was möglich ist. Vor drei Jahren durch Böller aus dem Fanblock wurde im Georg-Melches-Stadion ein Spieler und drei Zuschauer verletzt. Rot-Weiss sprach danach sehr klar und unmissverständlich mit 70 (!) Fangruppen und sprach im gleichen Jahr für 76 eigene Fans Hausverbote aus.

Kein "Soli" für Derby-Vereine

Eine "Solidargemeinschaft der Liga" - also so etwas wie einen gemeinsamen Geldtopf der Bundesliga-Vereine, aus dem zusätzliche Kosten für Polizeieinsätze gezahlt werden - sind angesichts des knallharten Fußballgeschäfts naive Träumereien.

Damit ist klar: Ihrer Mit-Verantwortung für die Mehrkosten bei den gewaltträchtigen Hochrisikospielen können die Vereine auf Dauer nicht entkommen. Dafür hat das Bundesverfassungsgericht gesorgt. Das ist hart - aber alles andere als unfair. Und um Fairness geht es ja schließlich beim Sport. Auch beim Fußball!

Welche Lösung für die Mehrkosten bei Hochrisikospielen fändet ihr am fairsten? Lasst uns darüber diskutieren! In den Kommentaren auf WDR.de oder auf Social Media.

Kommentare zum Thema

  • Michael Maiwald 18.01.2025, 15:53 Uhr

    Warum sollte die Allgemeinheit dafür bezahlen, weil irgendwelche durchgeknallten Schwachköpfe der einen Seite meinen, sich mit denen der anderen Seite prügeln zu müssen? Diese Logik hat sich mir (56) nie erschlossen. Die Profivereine, die ja augenscheinlich solche Auswüchse dulden, sind jetzt zur Verantwortung aufgerufen. Da hat das Bundesverfassung endlich ein Zeichen gesetzt. Das ist gut und richtig so. Und es wird nicht der Untergang des Fußballs sein.

  • Ulla 18.01.2025, 15:40 Uhr

    Ich befürworte das Urteil, halte aber eine Diskussion nach 10 Jahren Rechtsstreit und dem Urteil eines der höchsten deutschen Gerichte für mehr als überflüssig. Ich schätze unseren Rechtsstaat sehr und bin insofern gewillt, die Urteile anzuerkennen! Alle Interessierten hatten viele Jahre Zeit sich ggf. Einzubringen.

  • gespalten 18.01.2025, 15:32 Uhr

    Bin sehr gespalten bezüglich des Urteils und warte gespannt darauf, welche Wirkung sich zeigen wird. Gewalt im Hooliganbereich ist klassische toxische Männlichtkeit (dazu meist Alkoholkonsum), der die rote Karte gezeigt werden muss. Dafür muss ein gesellschaftliches Bewusstsein erzeugt werden und geächtet werden. Dazu sehe ich im Urteil noch keine Ideen. Auf der anderen Seite habe ich die Sorge, dass das Urteil die Basis bildet öffentliche Polizeiarbeit in Private Polizeiarbeit umzuwandeln, so dass sich sich die Polizei am Ende für alle möglichen Veranstaltungen "bezahlen" läßt. Das wäre nicht in Ordnung, schließlich haben alle Bürger*innen das Recht darauf, dass die Polizei ihnen zur Verfügung steht.