Die CDU macht sich bereit für den Abflug: Dort, wo früher Reisende ihre Koffer abgaben, ist heute am Düsseldorfer Flughafen eine Veranstaltungshalle mit Blick auf die Startbahn eingerichtet. Durch die Panoramafenster kann man Flugzeuge starten und landen sehen, manch einer blickt mit einer Tasse Kaffee in der Hand auf den Asphalt.
An diesem Samstagvormittag treibt einige Gäste des Neujahrsempfangs eine Frage um: Kann die ehemalige Kanzlerin ihrer Partei Rückenwind für den Wahlkampf geben? Angela Merkel ist als Ehrengast der CDU NRW angekündigt worden. In einem Video zum Beginn des Empfangs wird sie als "Kapitänin" bezeichnet, die 16 Jahre lang die Regierung navigierte.
Als sie und Ministerpräsident Hendrik Wüst die Halle betreten, erheben sich so gut wie alle der 1.300 Gäste, applaudieren laut, die Stimmung ist euphorisch und vorne versuchen Fotografen und Kameraleute, diesen Moment einzufangen, wobei sie sich fast in die Quere kommen.
CDU ist startklar
Generalsekretär Paul Ziemiak spart in seiner Begrüßung nicht an Flugmetaphern: man mache sich bereit für den Neustart, den Abflug. Das erste Ziel: Die Bundestagswahl – und dass Friedrich Merz Bundeskanzler wird.
Rückenwind bekommt Merz also schon mal von seinem Landesverband. Wird er auch von Angela Merkel diese Unterstützung bekommen? Es ist kein Geheimnis, dass die beiden mal politische Konkurrenten waren. Er selbst ist nicht anwesend, er trifft sich mit Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union.
Als Ministerpräsident Hendrik Wüst am Rednerpult steht, hebt gerade ein Flugzeug ab und startet über ihm in den wolkenfreien Himmel. Wüst beginnt seinen Auftritt mit einem kleinen Witz: Sollte auf der Flugstrecke nach Berlin mal der Chefsteward ausfallen, könne Ziemiak ja übernehmen. Doch schnell werden seine Miene und sein Ton wieder ernster: Die CDU befinde sich mitten im Wahlkampf, außerdem steht in diesem Jahr eine Kommunalwahl an. Er spricht vom Vertrauensverlust in die Politik und darüber, dass in wenigen Tagen Donald Trump erneut als Präsident der USA vereidigt wird.
Wüst lobt Merkels Art
Er erinnert daran, dass es Merkel war, die damals mit Präsident Trump an einem Tisch saß. Sie sei so etwas wie die Anführerin der freien Welt gewesen:
Bevor Merkel die Bühne betritt, singt der Kölner Jugendchor St. Stephan das Lied "Du hast den Farbfilm vergessen". Es ist das Lied, das beim Großen Zapfenstreich zu ihrer Verabschiedung gespielt wurde. Merkel klatscht mit und zeigt sich danach bewegt: "Das war schon berührend, muss ich sagen."
Merkels deutliche Worte zu Trump und Putin
Auch sie greift in ihrer Rede den Regierungswechsel in den USA auf. Über Trump sagt sie, er glaube nicht an "Win-win-Situationen", für ihn gebe es immer einen Gewinner und einen Verlierer – das kennzeichne auch Debatten mit ihm. Sie hingegen glaube, dass man mehr erreiche in Zusammenarbeit und mit Kompromissen. Gerade Zusammenarbeit sei in diesen Zeiten wichtig, vor allem in der Europäischen Union.
Auch mit Blick auf den Krieg in der Ukraine: Putin habe das Prinzip der Unverletzbarkeit der Grenzen außer Kraft gesetzt. Damit seien Grundprinzipien der europäischen Friedensordnung verletzt worden. Die transatlantische Zusammenarbeit sei daher unverzichtbar. Und: Die Ausgaben für Verteidigung werden wohl steigen müssen, meint Merkel.
Während ihrer Rede kommt immer wieder Applaus vom Publikum. Es scheint, als seien Merkels Worte gerne gehört, vielleicht auch gerade deshalb, weil sie sich sonst eher zurückhält und selten das politische Geschehen kommentiert.
Doch sie wirkt auch nachdenklich, als sie über das Verhältnis von Staat und Bürgern spricht. Mit Verweis auf ihre eigene Biografie – Merkel ist in der DDR aufgewachsen – sagt sie:
Regierungswechsel gewünscht
Generell sei es eine Zeit, in der jeder „Farbe bekennen“ müsse. Die Christdemokraten habe immer ausgemacht, die richtige Balance aus Freiheit und staatlichen Leitplanken gefunden zu haben. In mancherlei Hinsicht wünsche sich Merkel jedoch engere Leitplanken des Staates: etwa bei der Regulierung sozialer Netzwerke.
Die ehemalige Bundeskanzlerin mache zwar keinen aktiven Wahlkampf mehr, aber sie wünsche der Union, dass CDU und CSU zusammen stärkste politische Kraft werden und dass Merz damit das Mandat erhält, Bundeskanzler zu werden. Es sei von entscheidender Bedeutung, dass es zu einem Regierungswechsel komme, so Merkel.
Merkel erntet viel Applaus, wieder stehen fast alle im Saal, es ist das eine oder andere "Bravo!" zu hören. Die NRW-CDU zeigt sich zufrieden mit ihrem Neujahrsempfang: Es ist der Auftakt in ein politisch brisantes Jahr – auch wenn noch offen ist, wer das Steuer im Cockpit nach der Wahl übernehmen wird.
Über dieses Thema berichten wir am 18.01.25 auch in der Sendung Aktuelle Stunde im WDR Fernsehen.