Korruptionsskandal um NRW-Staatskanzlei | WDR aktuell 03:21 Min. Verfügbar bis 17.01.2027

Neue Details im Korruptionsskandal um Staatskanzlei-Sanierung

Stand: 17.01.2025, 16:48 Uhr

Die Korruptionsvorwürfe um die Sanierung der Staatskanzlei haben Freitag den Landtag beschäftigt. Der Finanzminister nannte die Vorgänge "gravierend".

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Gebucht wurde extra ein großer Sitzungssaal, denn im Düsseldorfer Landtag sind am Freitag gleich drei Ausschüsse zu einer Sondersitzung zusammengekommen. Einziger Tagesordnungspunkt: "Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit der Sanierung der NRW-Staatskanzlei".

Die SPD-Fraktion hatte die Sondersitzung beantragt, um die Erkenntnisse der Landesregierung in diesem Fall zu erfragen. Zusammengekommen waren Mitglieder des Haushalts- und Finanzausschusses, des Hauptausschusses und des Unterausschusses Landesbetriebe und Sondervermögen. Die SPD kritisierte in ihrem Antrag zudem, dass die Landesregierung bisher nicht transparent dargestellt habe, welche Kosten für die Baumaßnahmen tatsächlich angefallen waren.

Überhöhte Rechnungen für Leuchten

Die aktuellen Korruptionsvorwürfe betreffen unter anderem die Ausschreibung der Lichttechnik in der Staatskanzlei. Mehr als 200 Ermittlerinnen und Ermittler hatten am Dienstag deshalb 57 Wohnungen und weitere Objekte durchsucht. Der Vorwurf: Mitarbeiter des landeseigenen Bau- und Liegenschaftsbetriebs (BLB) sollen Unternehmen Aufträge für neue Leuchten zugeschustert haben, für die dann überhöhte Rechnungen eingereicht worden sein sollen.

Finanzminister: "einigermaßen überraschend"

Optendrenk: "Pochen auf lückenlose Aufklärung" | Bildquelle: dpa

Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) erklärte im Ausschuss, er habe von den Durchsuchungen erst Dienstagmorgen durch die Eilmeldungen der Medien erfahren. "Das war für mich auch einigermaßen überraschend", betonte der Minister. Die Vorwürfe nannte er "gravierend". Das Land NRW und die Steuerzahler seien hier die Geschädigten, sagte Optendrenk. Und versprach: "Wir pochen auf lückenlose Aufklärung."

Neuer Landesbeauftagter soll auf Sparsamkeit achten

Der dem Finanzministerium unterstellte Landesbaubetrieb mit rund 3.000 Mitarbeitern verwalte eines der größten Immobilienportfolios Europas, führte Optendrenk weiter aus. Der BLB habe ein Compliance-System zur Einhaltung von Regeln und Standards etabliert, das im Falle der Sanierung der Staatskanzlei funktioniert habe. "Festzuhalten ist, dass das Compliance-System gegriffen hat", betonte Optendrenk. Die Ermittlungen waren unter anderem durch eine interne Meldung an den dafür eingesetzten externen Antikorruptionsbeauftragten ins Rollen gekommen.

Unabhängig von den aktuellen Korruptionsvorwürfen habe die Landesregierung zu Jahresbeginn einen Landesbeauftragten für Landesbau bestellt, erklärte Optendrenk. Dieser soll darauf hinwirken, dass bei Großbauprojekten künftig noch stärker auf die Kosten geachtet wird.

Verstoß schon zu Beginn der Sanierung 2018?

Jahrelange Sanierung der Staatskanzlei | Bildquelle: WDR/Peter Hild

Während Finanzminister Optendrenk im Ausschuss eher aus der Presse Bekanntes vortrug, sorgte ein anderer Bericht für eine handfeste Überraschung. Denn nur auf Nachfrage des FDP-Abgeordneten Dirk Wedel trug ein Mitarbeiter des Justizministeriums einen detaillierten Bericht der Staatsanwaltschaft vor, der den Ausschussmitgliedern so nicht bekannt bzw. für die Sitzung nicht angekündigt worden war.

Demnach wird nicht nur wegen Untreue und Bestechung, sondern auch wegen versuchter Erpressung ermittelt. Zudem steht laut Bericht der Verdacht im Raum, dass schon zu Beginn der Sanierungsarbeiten 2018 bei der Beauftragung des Architekturbüros gegen vergaberechtliche Vorschriften verstoßen worden sein soll.

Erste Anzeige im Oktober 2023

Zudem wurde bekannt, dass schon im Oktober 2023 eine Anzeige der Innenrevision des BLB wegen Korruptionsverdachts bei der Vergabe der Beleuchtungsaufträge beim Landeskriminalamt einging. Auslöser war demnach ein Hinweis eines externen Zeugen an den Antikorruptionsbeauftragten des Bau- und Liegenschaftsbetriebs BLB

Bis Ende 2023 wurden dem Bericht der Staatsanwaltschaft zufolge bei Elektroanlagen und Beleuchtungen Nachtragsrechnungen in Höhe von insgesamt 2,34 Millionen Euro geltend gemacht. Insgesamt geht es um zwölf Vergabeverfahren, die zum großen Teil an ein einziges Unternehmen gingen. Bieter, die Leuchten dieser Firma anboten, sollen bei der Auftragsvergabe auffällig oft berücksichtigt worden sein.

Dabei soll es auch zu Erpressung und Drohungen gekommen sein, wenn dieses Unternehmen nicht zum Zuge kommen sollte. Dies habe letztlich zur Anzeige geführt. Im Fokus der Ermittler stehen unter anderem Beschäftigte des BLB sowie Mitarbeiter eines Architekturbüros. Bei den Hauptverdächtigen handelt es sich demnach um fünf Männer und zwei Frauen im Alter von 36 bis 69 Jahren.

FDP: "Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer"

Es bleibe weiter unklar, welche weiteren Bauprojekte oder Gewerke möglicherweise noch betroffen seien, kritisierte die FDP-Fraktion nach der Sitzung. "Wie schon häufig in den letzten Jahren gesehen, zeigt sich bei Staatsbetrieben wie BLB, WestLB und WestSpiel: Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer!" teilten Ralf Witzel und Dirk Wedel mit.

"Hier sind eindeutig der Ministerpräsident und sein Chef der Staatskanzlei gefordert, Licht in diese Korruptionsaffäre zu bringen", betonte Christian Dahm, stellvertretender Vorsitzende der SPD-Fraktion im Landtag. "Der - offenbar von der Landesregierung nicht einkalkulierte - Bericht des leitenden Oberstaatsanwalts hat zahlreiche neue Fragen aufgeworfen, die uns noch länger beschäftigen werden."

Aufarbeitung durch Parlamentarischen Untersuchungsausschuss?

Zuvor hatte SPD-Fraktionschef Jochen Ott einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) in dem Fall nicht ausgeschlossen. "Wenn es Not tut, sind wir vorbereitet", erklärte Ott am Mittwoch in Düsseldorf. Für die FDP teilte Fraktionschef Henning Höne mit: "Die FDP-Fraktion fordert aktuell keinen PUA, wir schließen ihn aber auch nicht grundsätzlich aus."

Über dieses Thema berichten wir am 17.01.2025 auch im WDR-Hörfunk: WDR 5 Westblick, 17:05 Uhr.

Unsere Quellen:

  • Ausschuss-Sondersitzung im Landtag NRW
  • Pressegespräch mit SPD-Fraktion
  • Mitteilung der FDP-Fraktion
  • Pressemitteilung von LKA und Staatsanwaltschaft Wuppertal