Bei einem Pressestatement sagte Scholz, er habe den Bundespräsidenten um die Entlassung Lindners gebeten. Zu oft habe dieser sein Vertrauen gebrochen. Dem FDP-Chef gehe es um die eigene Klientel und das kurzfristige Überleben der eigenen Partei. Solch ein „Egoismus“ sei vollkommen unverständlich – gerade an einem Tag wie diesem. Der SPD-Politiker bezog sich dabei auf den Sieg Donald Trumps bei der US-Wahl.
"Vertrauen gebrochen": Scholz attackiert Lindner
Die Unternehmen im Land bräuchten Unterstützung, sagte er mit Blick auf die schwache Konjunktur und hohe Energiepreise. Er verwies zudem auf die internationale Lage mit den Kriegen in Nahost und der Ukraine. Scholz ergänzte, er sei sich mit Vizekanzler Habeck von den Grünen einig, dass Deutschland schnell Klarheit über den künftigen politischen Kurs brauche. Bis Weihnachten sollen im Bundestag alle Gesetze zur Abstimmung gestellt werden, die keinerlei Aufschub bedürfen.
Scholz will Vertrauensfrage im Bundestag stellen - Neuwahlen im März möglich
In der ersten Sitzungswoche des Bundestags im neuen Jahr will Scholz dann die Vertrauensfrage stellen. Der Bundestag soll am 15. Januar darüber abstimmen. Mögliche Neuwahlen könnten dann spätestens bis Ende März stattfinden, sagte Scholz.
Der Kanzler erklärte außerdem, er wolle das Gespräch mit CDU-Chef Friedrich Merz suchen und über eine mögliche Zusammenarbeit bei der Stärkung der Wirtschaft sowie beim Thema Verteidigung sprechen.
Lindner kritisiert Scholz mit deutlichen Worten
FDP-Chef Lindner erklärte, seine FDP habe Vorschläge für eine "Wirtschaftswende" vorgebracht. SPD und Grüne hätten die aber nicht einmal als Beratungsgrundlage akzeptiert.
Olaf Scholz habe lange die Notwendigkeit verkannt, dass Deutschland einen neuen wirtschaftlichen Aufbruch benötige, kritisierte der Bundesfinanzminister. Außerdem habe er die wirtschaftlichen Sorgen der Bürger lange verharmlost. Die Gegenvorschläge des Kanzlers seien "matt und unambitioniert", so der FDP-Chef. Der Kanzler habe gezeigt, dass er nicht die Kraft habe, dem Land einen neuen Aufbruch zu ermöglichen.
Lindner warf Scholz auch vor, ihn unter Druck gesetzt zu haben, die Schuldenbremse auszusetzen. Dem habe er aber nicht zustimmen können, "weil ich damit meinen Amtseid verletzt hätte". Daraufhin habe Scholz die Zusammenarbeit mit ihm und der FDP aufgekündigt, so Lindner.
Der FDP-Chef ergänzte, er habe einen gemeinsamen Weg zu Neuwahlen vorgeschlagen, "um geordnet und in Würde" eine neue Bundesregierung zu ermöglichen und um die Handlungsfähigkeit des Landes zu jedem Zeitpunkt zu garantieren. Das habe Scholz aber "brüsk" zurückgewiesen. Laut Lindner ist die FDP unverändert bereit, Regierungsverantwortung zu tragen. Man wolle dafür kämpfen, dies künftig in einer anderen Regierung zu tun.
Habeck: Ampel-Aus fühlt sich falsch an
Vizekanzler Habeck von den Grünen erklärte in einem gemeinsamen Statement mit Außenministerin Baerbock, der Bruch des Regierungsbündnisses mit SPD und FDP fühle sich an einem Tag wie diesem falsch und geradezu tragisch an. Man wolle nun zügig den Weg zu geordneten Neuwahlen freimachen und aus dem Amt heraus Stabilität geben.
Die SPD rief für 22.30 Uhr ihre Bundestagsfraktion zu einer Sitzung zusammen. Bereits eine Stunde zuvor wollte die FDP zu einem Sondertreffen zusammenkommen.
Keine Einigung im Koalitions-Ausschuss
Die Spitzen von SPD, Grünen und FDP waren um 18 Uhr im Kanzleramt zusammengekommen. SPD und Grüne hatten im Vorfeld erklärt, eine Einigung zum Haushalt für 2025 sei möglich, wenn der Wille dazu da sei.
Lindner hatte Neuwahlen vorgeschlagen
FDP-Chef Lindner hatte dort Kanzler Scholz eine Neuwahl des Bundestags vorgeschlagen, so die Informationslage während des Treffens. Die Gespräche hätten gezeigt, dass keine ausreichende Gemeinsamkeit in der Wirtschafts- und Finanzpolitik herzustellen sei, zitieren Teilnehmer Lindner. Es sei im Interesse des Landes, schnell Stabilität und Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen.
Bundeskanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Lindner hatten schon in mehreren vorangegangenen Treffen beraten, ob sich die Ampel auf den Haushalt 2025 und zusätzliche Hilfen für die Wirtschaft verständigen kann.
Lindner hatte "Herbst der Entscheidungen" ausgerufen
Lindner hat schon vor einiger Zeit einen "Herbst der Entscheidungen" für die Koalition ausgerufen. Er meinte damit unter anderem eine Strategie, wie Deutschland aus der Wirtschaftskrise geführt werden soll.
In seinem Konzept für eine "Wirtschaftswende" forderte Lindner unter anderem die endgültige Abschaffung des Solidaritätszuschlags auch für Gutverdiener und einen Kurswechsel in der Klimapolitik. Gegen solche Ideen gab es erheblichen Widerstand bei SPD und Grünen.
Unsere Quellen:
- ARD-Brennpunkt
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters
Über dieses Thema berichtet der WDR am 06.11.2024 auch im Fernsehen: WDR aktuell ab 21:45 Uhr.