Im nordrhein-westfälischen Landtag gibt es zwei rivalisierende "Opel-Gangs". Die eine Seite, Rot-Grün, will nach der angekündigten Komplettschließung des Bochumer Opel-Werks nichts unversucht lassen, um bestehende Arbeitsplätze in der Stadt zu erhalten und neue Jobs anzusiedeln. Die Gegenseite, CDU und FDP, will genau das Gleiche. Dennoch beschimpften sich beide Seiten bei einer Sondersitzung am Dienstag (30.04.2013) als "Versager" und "Pharisäer". Im Jahr der Bundestagswahl führt der Einsatz für die Opelaner nicht zu Konsens, sondern nur zu lautstarkem Knatsch.
Wer hat wann was gewusst?
Wie bereits in der vergangenen Woche stritten Regierung und Opposition darüber, wer wann was über die Abwicklung der Opel-Produktion in der traditionsreichen Fabrik gewusst hat. Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) steht am Pranger von Christ- und Freidemokraten. In der Sondersitzung wollten sie vom Minister erfahren, warum er das Parlament bei der Plenarsitzung am vergangenen Donnerstag im Unklaren gelassen habe über das vollständige Aus für alle Opel-Abteilungen in Bochum. Opel hatte am Donnerstag mitgeteilt, dass man sich komplett aus Bochum zurückzieht. Ein Warenverteilzentrum, das Händler in ganz Europa mit Ersatzteilen wie Kotflügeln oder Motoren beliefert, mit rund 420 Beschäftigten werde geschlossen. Insgesamt erhöht sich die Zahl der Betroffenen des Opel-Abzugs mit der Schließung des Lagers auf rund 3.700.
Duin wies bei der Sondersitzung alle Vorwürfe zurück. Vielmehr habe Opel "ohne Not" nach der Landtagsdebatte letzte Woche Bekanntes "noch einmal öffentlich bekräftigt". Er werte dies als "Muskelspiel" des Unternehmens. Die Landesregierung werde weiter für die Interessen der Opelaner in Bochum kämpfen. Der Opposition warf er einen "höchstmöglichen Empörungsmodus" vor.
Laumann geißelt "Strafaktion"
CDU-Fraktionschef Karl-Josef Laumann warf Duin hingegen vor, er habe im Landtag den Eindruck erweckt, die Zukunft von Opel sei offen. Der Minister habe bisher für die Beschäftigten "nichts erreicht" und stelle sich nicht entschlossen genug gegen die "Strafaktion" der Opel-Leitung. Ganz offenbar verschärfe das Unternehmen die Schließungspläne, da die Bochumer Belegschaft im März den von Gewerkschaft und Management ausgehandelten Sanierungsplan mit großer Mehrheit abgelehnt hat. Grüne und Piraten wiesen Laumanns Attacke gegen Duin zurück. "SPD, CDU, Grüne und FDP haben von Anfang an gewusst, dass auch das Werk III geschlossen wird", sagte die Piraten-Abgeordnete Simone Brand. Grünen-Fraktionschef Reiner Priggen nannte die Argumentation der CDU "völlig albern". Duin habe den Landtag vergangene Woche "zutreffend informiert".
Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) wurde von mehreren Oppositionsrednern aufgefordert, ans Rednerpult zu treten. Sie tat es nicht. Kraft zeigte mit Gestik und Mimik auf der Kabinettsbank, was sie von den Attacken hielt. Als der Chef der Ruhrgebiets-CDU, Oliver Wittke, sie als "Landesmutter für Sonnenschein und Landesfeste" bezeichnete, die im Ernstfall Bochum eine "Rabenmutter" sei, gähnte sie demonstrativ-symbolisch mit Handbewegungen vor dem Mund. Als der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Lindner von ihr konkrete Vorschläge für die Zukunft der Jobs in Bochum verlangte, reagierte sie mit ernster Miene. Stattdessen redete noch einmal Wirtschaftsminister. Die Landesregierung erwäge, so Duin, neue Arbeitsplätze auf dem Opel-Gelände in Bochum zu fördern. Rot-Grün wolle die Entwicklung auf nicht mehr benötigten Werkflächen im Rahmen ihrer beihilferechtlichen Möglichkeiten unterstützen.
Pfui-Rufe und ein Vogel-Zeichen
Immer wieder forderten CDU-Redner in der Debatte von der Landesregierung die Offenlegung aller Kontakte zur Opel-Spitze. Zwischen den Zeilen stricken die Christdemokraten im Wahljahr an einer Art Verrats- oder Verschwörungstheorie. Wittke brachte es bereits in der letzten Plenarsitzung polemisch auf den Punkt: "Wer hat Opel verraten?" Die Antwort "Sozialdemokraten" ließ er zwar weg. Die Anleihe bei der antisozialdemokratischen Rhetorik der Weimarer Zeit löste bei SPD-Politikern dennoch Empörung und Pfui-Rufe aus. Wittke entschuldigte sich nicht für den Spruch. Seinerseits klagte er nach der Debatte, der Minister habe ihm den Vogel gezeigt. Immerhin stimmten alle Fraktionen am Ende der Sitzung dafür, dass das Land NRW sich voll für die Opelaner einsetzen solle. Doch der politische Opel-Streit dürfte weitergehen.