NSU-Verfahren unterbrochen
Was sagt Beate Zschäpe zu Zielen in NRW?
Stand: 10.11.2015, 17:58 Uhr
- Im NSU-Prozess ist die angekündigte Aussage der Hauptangeklagten Beate Zschäpe verschoben worden
- Wann die Aussage erfolgen wird, ist unklar
- Übersicht der offenen Fragen zu den Taten, die der NSU in NRW begangen haben soll
Von Dominik Reinle
Die eigentlich für Mittwoch (11.11.2105) angekündigte Aussage der mutmaßlichen Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe im NSU-Prozess ist verschoben worden. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl unterbrach am Dienstag (10.11.2015) den Prozess in München bis zum kommenden Dienstag (17.11.2015). Zschäpes neuer Wahlverteidiger Hermann Borchert sagte am Donnerstag (12.11.2015): "Vor dem 8. Dezember passiert nichts." Als Begründung gab er an, er befinde sich vorher in einem lange geplanten Urlaub. Er schloss aus, dass es bei Zschäpe ein Umdenken gebe und sie womöglich ganz auf ihre Aussage verzichten könne.
Der Entscheidung vorangegangen waren zwei Anträge: Zunächst hatten Zschäpes Alt-Verteidiger beantragt, von ihren Pflichtmandaten entbunden zu werden. Zudem stellten die Anwälte des Mitangeklagten Ralf Wohlleben einen Befangenheitsantrag gegen alle Richter. Darüber muss ein anderer Senat des Münchner Oberlandesgerichts entscheiden. Zschäpes neuer Anwalt Mathias Grasel hatte am Montag (09.11.2015) angekündigt, dass er am Mittwoch eine Erklärung Zschäpes verlesen wolle. Mit einer Aussage würde die Hauptangeklagte ihr mehr als zweieinhalbjähriges Schweigen brechen.
ARD-Experte warnt vor hohen Erwartungen
Unbeantwortete Fragen gibt es im Zusammenhang mit dem NSU jedenfalls mehr als genug. ARD-Terrorismusexperte Holger Schmidt warnte am Montag allerdings vor unbegründeten Hoffnungen: "Wenn man es realistisch betrachtet, darf man von Beate Zschäpe nicht viel erwarten." Eine Lebensbeichte scheine ebenso ausgeschlossen wie eine Entschuldigung. "Zu erwarten ist eher eine Art Rechtfertigung – oder dass sie sich selbst als Opfer darstellt."
NSU-Ausschuss müht sich
Allein in NRW soll der NSU laut Bundesanwaltschaft drei Taten begangen haben: zwei Bombenanschläge in Köln und einen Mord in Dortmund. Was bei den Ermittlungen dazu schiefgegangen ist, versucht der NSU-Untersuchungsausschuss des NRW-Landtages seit August durch Zeugenvernehmungen herauszufinden. Das Ergebnis ist bisher allerdings dürftig. Noch immer ist vieles ungeklärt.
Wie kam der NSU auf die Probsteigasse?
Beim ersten Kölner Bombenanschlag wurde 2001 in einem Lebensmittelladen an der Kölner Probsteigasse die 19-jährige Tochter des iranisch stämmigen Inhabers schwer verletzt. Wie kam der NSU ausgerechnet auf dieses Geschäft, an dessen Außenschild noch der deutsche Name des Vorbesitzers zu lesen ist? Hatte das NSU-Trio in Köln Unterstützer, die den Tipp für den Tatort gegeben haben? Oder hat womöglich eine ganz andere Person die Bombe, versteckt in einem Geschenkkorb, im Laden abgelegt?
Wer waren die Bewaffneten in der Keupstraße?
Auch beim Kölner Nagelbombenanschlag von 2004 stellen sich viele Fragen. Damals war vor einem Friseursalon in der Keupstraße ein Damenrad mit einem Sprengsatz abgestellt worden. Bei der Explosion wurden 22 Menschen verletzt, vier davon schwer. Kurz nach der Tat hat ein Augenzeuge zwei Männer mit Waffen gesehen. Er ging davon aus, dass es sich um Zivilpolizisten handelte. Doch im NSU-Untersuchungsausschuss stellt sich im September heraus, dass es offenbar keine Polizisten waren. Doch wer waren sie dann? Zudem stellte sich im Ausschuss heraus, dass die Polizei nach dem Anschlag nicht alle Anwohner befragt hatte. Darunter war auch ein NPD-Mitglied.
Wer kundschaftete die Tatorte in NRW aus?
Am 4. April 2006 wurde der deutsch-türkische Kioskbesitzer Mehmet Kubasik in der Dortmunder Mallinckrodtstraße mit zwei Schüssen in den Kopf getötet. Er war das achte Opfer einer Mordserie, die heute dem NSU zugeschrieben wird. Zwar will der NSU-Untersuchungsausschuss erst zu Beginn des nächsten Jahres Zeugen dazu vernehmen, doch schon heute stellt sich die Frage, ob die mutmaßlichen Täter Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos vor Ort Unterstützer hatten.
Im November 2011 haben die Ermittler aus der Brandruine der letzten NSU-Wohnung in Zwickau Landkarten und Adresslisten geborgen. Darunter war auch Kartenmaterial von Bielefeld, Paderborn, Münster und Hamm. Hatten die beiden Männer auch diese möglichen Anschlagsziele tatsächlich alleine ausgespäht? Zur Klärung dieser und vieler weiterer Fragen wird die Hauptangeklagte möglicherweise etwas beitragen.