NSU-Prozess
NSU-Anschläge in Bielefeld und Münster geplant?
Stand: 09.11.2015, 15:51 Uhr
- Der NSU hat offenbar auch Anschläge in Bielefeld und Münster geplant
- Politiker und religiöse Einrichtungen waren im Visier
- Das legen Stadtpläne und Adresslisten nahe, die am Dienstag (10.11.2015) im Münchener NSU-Prozess untersucht werden.
- Unterdessen hat die Hauptangeklagte Beate Zschäpe für Mittwoch (11.11.2015) angekündigt, ihr Schweigen zu brechen.
Im November 2011 haben die Ermittler aus der Brandruine der letzten NSU-Wohnung in Zwickau Landkarten und Adresslisten geborgen. Darunter war auch Kartenmaterial von Bielefeld und Münster. Auf dem Stadtplan von Bielefeld markierten rote Sternchen die Adressen von Partei- und Abgeordnetenbüros, wie die "Neue Westfälische" am Montag (09.11.2015) berichtete. Gelbe Sterne hätten da geklebt, wo türkische und islamische Vereine ihre Standorte hatten. Am auffälligsten sei der gelbe Smiley mit der Sonnenbrille gewesen - am Sitz der Jüdischen Kultusgemeinde in Bielefeld.
Auf der zugehörigen Adressliste seien 21 Einträge verzeichnet gewesen, so die Zeitung. Darunter seien vier Namen von damaligen Abgeordneten aufgeführt: die Bundestagsmitglieder Rainer Wend (SPD), Gudrun Kopp (FDP) und Michaele Hustedt (Grüne) sowie der Landtagsabgeordnete Günter Garbrecht (SPD). Ebenfalls auf der Liste erscheinen demnach die Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, der Bielefelder Flüchtlingsrat und die Deutsche Kommunistische Partei.
Hinweise aus der Region an das Trio?
Bereits kurz nach dem Auffliegen des NSU im November 2011 hatte der Staatsschutz die Betroffenen darüber informiert, dass ihre Namen in NSU-Notizen aufgetaucht waren. "Es war schockierend zu erfahren, dass der NSU auch eine so kleine jüdische Gemeinde wie Bielefeld im Fokus hatte", sagte Irith Michelsohn, Vorsitzende der Jüdischen Kultusgemeinde Bielefeld, am Montag dem WDR. "Auch heute am 9. November, 77 Jahre nach der Reichspogromnacht, stimmt uns das noch sehr nachdenklich."
Wie er auf die NSU-Liste gekommen ist, kann der ehemalige Bundestagsabgeordnete Wend nur vermuten: "Ich kann mir eigentlich nur vorstellen, dass es in Bielefeld beziehungsweise in Ostwestfalen Verbündete gegeben haben muss, die das Trio informiert haben", sagte er dem WDR. "Es gibt dort mindestens seit den 1980er Jahren eine kleine, aber sehr radikale neonazistische Zelle." Möglicherweise habe diese dabei eine Rolle gespielt.
Weiterreise von Dortmund nach Bielefeld erwogen?
Entstanden sind die NSU-Listen vermutlich zwischen 2000 und 2005, schreibt die "Neue Westfälische". Ausgedruckt worden seien Karte und Liste laut Druckvermerk aber erst am 3. April 2006. Einen Tag später wurde in Dortmund der Kioskbesitzer Mehmet Kubasik erschossen - von den NSU-Mitgliedern Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, wie die Bundesanwaltschaft annimmt. "Möglicherweise wurde von Täterseite eine Weiterreise von Dortmund nach Bielefeld erwogen", notierte ein Ermittler in einem Aktenvermerk, der dem WDR vorliegt.
Auch Karten von Hamm und Paderborn
Im NSU-Prozess wird am Dienstag ein BKA-Beamter das Gericht über die Auswertung des Kartenmaterials informieren. Neben Bielefeld geht es dabei auch um Münster. Denn am 3. April 2006 waren ebenfalls Pläne aus Münster, Hamm und Paderborn ausgedruckt worden. Auch zu diesen Städten habe es Adresslisten möglicher Ziele gegeben, hatte die "Süddeutsche Zeitung" im Januar 2012 berichtet.
Hauptangeklagte Zschäpe will aussagen
Unterdessen deutet sich im NSU-Prozess eine Wende an: Die Hauptangeklagte Beate Tschäpe will am Mittwoch (11.11.2015) nach Angaben der Kanzlei ihres Verteidigers Mathias Grasel ihr Schweigen brechen und umfassend aussagen. Zschäpe werde nicht selbst vor dem Oberlandesgericht München sprechen, sondern ihren Verteidiger Grasel ihre Aussage verlesen lassen.