Es grenzt an ein kleines Wunder, dass es die Lichtburg überhaupt noch gibt. Krieg, Kinokrisen und Immobilienspekulation hat der Filmpalast an der Kettwiger Straße, Essen Einkaufsmeile, überstanden. "Gott sei Dank hat die Vorbetreiberin hier nicht mehrere kleine Säle draus gemacht", sagt Marianne Menze, heute Geschäftsführerin des mit 1.250 Plätzen größten Filmtheaters in Deutschland.
Jüdischer Betreiber von Nazis enteignet
Bei der Eröffnung der Lichtburg 1928 bestaunt das Publikum ein Lichtspielhaus der Superlative. Über dem 2.000 Zuschauer fassenden Saal wölbt sich die größte Kuppel aller deutschen Theaterbauten. Ein 30-Mann-Orchester und eine 150.000 Reichsmark teure Wurlitzer-Orgel begleiten die Stummfilme; für die beginnende Tonfilmära steht schon modernste Technik bereit. "Im Parkett-Foyer herrscht ein glanzvolles Leben", berichtet die Essener Allgemeine Zeitung vom Eröffnungsabend. "Die Herren sind…im dunklen Abenddress, die Damen in blitzender, schillernder Abendtoilette und einem leichten Duft von Seide, vermischt mit jenem Aroma, von dem immer gesellschaftliche Veranstaltungen kultivierten Niveaus durchweht sind."
Karl Wolffsohn, der jüdische Betreiber der Lichtburg, wird bereits 1934 von den Nazis enteignet. Nun veranstaltet die NSDAP ihre Parteiversammlungen in dem großen Saal und die Deutsche Wochenschau zeigt heroische Bilder von Hitlers Besuchen in den Essener Krupp-Werken. Karl Wolffsohn lebt längst im Exil in Palästina, als der im Bauhausstil errichtete Filmpalast 1943 durch Fliegerbomben fast vollständig zerstört wird. Nur die Fassade bleibt erhalten. Nach Kriegsende kämpft Wolffsohn bis zu seinem Tod 1957 vergeblich um eine Entschädigung. Eine Gedenktafel an der Lichtburg erinnert heute an den Kino-Prinzipal.
"Wiener Mädeln" zur Wiedereröffnung
Essen liegt großteils noch in Trümmern, als die Stadt den Wiederaufbau ihres Kino-Flaggschiffs beschließt. Die neuen Betreiber, Erich Menz und Heinrich Jaeck, lassen die Lichtburg fast im alten Glanz neu erstehen. Nur die Kuppel und die Wurlitzer-Orgel gibt es nicht mehr, der Orchestergraben und die Bühne vor der Leinwand aber bleiben erhalten. Zur festlichen Wiedereröffnung am 23. März 1950 drängt sich ein Menschenmeer auf der Kettwiger Straße, um die Ankunft von Filmstars und Politprominenz mitzuerleben. Wagners "Meistersinger"-Ouvertüre, dargeboten von den Essener Philharmonikern, eröffnen das Galaprogramm. Dann flimmert "Wiener Mädeln" in Anwesenheit von Hauptdarsteller und Regisseur Willy Forst über die Leinwand der wiedererstandenen Lichtburg.
Unter der Führung von Menz und Jaeck steigt der Filmpalast zu Deutschlands bedeutendstem Erstaufführungskino auf. Großaufgebote der Polizei müssen die Schaulustigen zurückdrängen, wenn Gary Cooper, Romy Schneider, Curd Jürgens oder Lex Barker mit Blutsbruder Winnetou alias Pierre Brice zu Premieren vorfahren. Wie schon vor dem Krieg, bietet die Lichtburg auch wieder Theatervorstellungen und Konzerten einen glanzvollen Rahmen. Stars wie Louis Armstrong und Juliette Gréco stehen dort auf der Bühne.
Vom großen Kinosterben der 70er und 80er Jahre bleibt auch Essen nicht verschont. Zwei Drittel aller Filmtheater müssen schließen. Unter Leitung von Erich Menz‘ Witwe Ilse kann sich die Lichtburg lange behaupten, doch als 1991 ganz in der Nähe das Multiplex-Kino Cinemaxx öffnet, steht auch die Grande Dame der Lichtspielhäuser vor dem Aus. Dank des Einsatzes von Cineasten wie Marianne Menze sowie engagierter Bürger, Künstler und Lokalpolitiker bleibt die Lichtburg erhalten und erstrahlt seit ihrer Restaurierung 2003 in neuer, alter Pracht.
Stand: 23.03.2015
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