Nichts fasziniert den kleinen George mehr als die dampfbetriebenen Pumpen, an denen sein Vater als Heizer arbeitet. Die fauchenden Maschinenriesen entwässern die Stollen der Zechen im nordenglischen Kohlerevier Newcastle, wo George Stephenson im Juni 1781 geboren wird. Mit fünf Geschwistern wächst er in ärmlichsten Verhältnissen auf. Für einen Schulbesuch reicht das Geld der Stephensons nicht.
Mit 14 Jahren darf George dem Vater bei der Arbeit helfen und stellt sich dabei so geschickt an, dass man ihm bald allein eine Pumpe anvertraut. In seiner Freizeit zerlegt Stephenson junior seine Dampfmaschine, putzt sie, begreift und verbessert die Mechanik. Mit 17 Jahren steigt er zum Maschinenmeister auf und verdient endlich genug, um lesen und schreiben zu lernen. George Stephensons Vision: Die Pferde, die die Kohlewaggons auf Gleisen ziehen, durch "locomotions", durch mobile Dampfmaschinen zu ersetzen.
Erste Versuche mit der "Blücher"
England verändert sich zu jener Zeit durch die Industrialisierung radikal. Unaufhörlich steigern Dampfmaschinen die Produktivität von Zechen und Fabriken. Kanalschiffer und Pferdebahnen können Kohle- und Warentransporte kaum noch bewältigen. Die Zeit verlangt dringend nach einem neuen Verkehrsmittel, weiß der Autodidakt Stephenson, mit 30 Jahren inzwischen hoch geschätzter Chefmaschinist einer Zeche. 1802 hat Richard Trevithick bereits Dampflokomotiven mit noch schwacher Leistung konstruiert. Ihre Kessel aber explodieren häufig unter dem hohen Druck, und die gusseisernen Schienen halten dem Gewicht nicht stand.
Überzeugt, dass nur die Eisenbahn Englands Industrie voranbringen wird, entwickelt Stephenson eine Kuppelstange, die die Kolbenkraft direkt auf die Antriebsachse überträgt. Am 28. Februar 1815 erhält er das Patent für seine Lokomotive, die er nach einem preußischen Feldmarschall benennt. Doch auch seine "Blücher" ist noch zu reparaturanfällig und zu schwach. Stephenson experimentiert weiter, vereinfacht den Antrieb auf noch weniger Teile und konstruiert das Blasrohr, das den Dampf durch einen Schornstein ableitet und so das Feuer anfacht. Diese Erfindung allein verdoppelt noch einmal die Leistung und weist den Weg zur modernen Lokomotive.
Stephenson eröffnet das Eisenbahn-Zeitalter
1821 wird die erste öffentliche Bahnlinie von den Kohlegruben in Darlington zum Nordseehafen Stockton geplant – als Pferdebahn. George Stephenson erhält den Posten des Bauleiters und kann die Investoren überzeugen, versuchsweise seine Dampflok einzusetzen: "Ein Pferd auf Eisenschienen kann zehn Tonnen ziehen. Aber meine 'Blücher' ist 50 Pferde wert!" In der Öffentlichkeit stoßen Stephensons Lokomotiven-Pläne auf erbitterten Widerstand. Viele Zeitgenossen halten die schnaufenden Ungetüme für höchst gefährliches Teufelszeug, Adlige fürchten um ihre Fuchsjagden und die Kanalbesitzer um ihr Transportmonopol.
Doch die wirtschaftlichen Vorteile sprechen für Stephenson. Trotz fehlender Ingenieursausbildung beweist er bei Planung und Bau der beispiellosen Strecke enorme Fähigkeiten. Binnen drei Jahren werden 64.000 Steinschwellen verlegt, Brücken gebaut und lange Dämme errichtet, um sogar ein Sumpfgebiet zu durchqueren. Im September 1825 ist die "Stockton and Darlington Railway", die erste öffentliche Eisenbahnlinie der Welt, fertig. Stephensons "Locomotion No. 1" zieht problemlos 36 Wagen, davon sechs mit mutigen Passagieren, über die 26 Meilen lange Strecke. Nach diesem Erfolg ist der Durchbruch der Dampfrösser nicht mehr aufzuhalten. Zehn Jahre später eröffnet der "Adler" auch in Deutschland das Eisenbahn-Zeitalter – mit einer Lokomotive aus der Fabrik von George Stephenson.
Stand: 28.02.2015
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