Gezeichnetes Portrait von Möricke

Stichtag

8. September 1804 – Geburtstag Eduard Mörikes

Oberflächlich betrachtet könnte Eduard Mörike glücklich sein. Mit 28 Jahren hat er als Pfarrverweser im kleinen Dorf Ochsenwang in der Schwäbischen Alb ein Auskommen, und verlobt mit der hübschen Pfarrerstochter Luise ist er auch. Aber das Geld reicht nicht zur Heirat, die Braut drängt trotzdem auf die Ehe, und seine Arbeit, die er als "Vikariatsknechtschaft" empfindet, ödet den immer kränkelnden Theologen, der sich zur Dichtung berufen fühlt, an.

Die widrigen Lebensumstände sind wohl der Grund, warum Mörikes Gedichte bei allem Sinn für die Schönheit der Natur oft von Melancholie und Trauer durchzogen sind. Oder auf etwas hoffen machen, was bald kommen soll. "Frühling lässt sein blaues Band / Wieder flattern durch die Lüfte", heißt es in seinem wohl berühmtesten Gedicht. "Süße, wohlbekannte Düfte / Streifen ahnungsvoll das Land. / Veilchen träumen schon, / Wollen balde kommen. / Horch, von fern ein leiser Harfenton! / Frühling, ja du bist's! Dich hab ich vernommen!"

Von 600 Seelen überfordert

Geboren wird Mörike am 8. September 1804 als Sohn eines Amtsarztes in Ludwigsburg. Die Kindheit ist glücklich, bis der Vater 1815 einen Schlaganfall erleidet, der ihn halbseitig lähmt. Zwei Jahre später stirbt er. Ein einflussreicher Onkel kümmert sich um die Ausbildung des Jungen und schleust ihn trotz misslungener Abschlussprüfung ins Theologische Seminar von Urach. Als Mörike das etwas unstete Schankmädchen Maria Meyer, seine erste große Liebe, nicht zuletzt aufgrund von familiärem Druck vor die Tür setzt, wird die folgende Qual zu seiner Initiation als Dichter ("War's möglich, solche Schönheit zu verlassen?").

1826 wird Mörike Vikar. Von Anfang an hat er Zweifel am Priesterberuf, versucht immer wieder, als freier Autor auszubrechen – und kehrt doch immer wieder in den Schoß der Kirche zurück. 1829 verlobt er sich mit Luise Rau, die er aber selten sieht. Vier Jahre später löst die frustrierte Braut die Verbindung und stürzt Mörike in die nächste Lebenskrise. Kurz darauf wird er in Cleversulzbach mit seinen 600 Seelen endlich Pfarrer und zieht samt Mutter und Schwester ins Pfarrhaus ein. Aber die Arbeit überfordert ihn, mit 39 geht er in den Ruhestand. 1851 heiratet er eine Freundin seiner Schwester. Aber das Leben in der neu bezogenen Wohnung in Stuttgart wird Mörike vom zunehmenden Gezänk der Frauen vergält. Mörike muss sich entscheiden – und zieht mit der Schwester aus.

"Mensch in Schlafrock und Pantoffeln"?

Trost findet Mörike allein in der Poesie, die er in Almanachen veröffentlicht und die ihm einiges Renommee einbringt. Einige Zeitgenossen allerdings verspotten den Dichter als "Menschen in Schlafrock und Pantoffeln" – und verkennen dabei seine Größe, die in seinem Gespür für sprachliche Feinheiten und treffende Bilder besteht. "Er ist in der Spanne nach Klassik und Romantik und der beginnenden Moderne sicher neben Heine der deutschsprachige Lyriker und Sprachkünstler im 19. Jahrhundert", urteilt dem entsprechend der Mannheimer Literaturwissenschaftler und Mörike-Experte Reiner Wild.

Der Schweizer Schriftsteller Gottfried Keller fasst es vielleicht am treffendsten zusammen, indem er Mörike  als "Sohn des Horaz und einer feinen Schwäbin" charakterisiert. Denn das vermeintlich Idyllische und Regionale wird in der Lyrik Mörikes nicht nur immer wieder melancholisch infrage gestellt, sondern ist zudem getragen von einem Streben nach künstlerischer Vollkommenheit. Ein Biedermeier-Dichter ist Mörike in diesem Sinne nicht.

An seinem 70. Geburtstag vernimmt Mörike nach eigener Aussage eine geheimnisvolle Musik, die er als Vorboten des Todes deutet. Tatsächlich stirbt er nach Wochen quälender Schmerzen kurze Zeit später 1875. Zu seinem fünften Todestag wird in Stuttgart ein Denkmal errichtet.

Stand: 08.09.2014

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