In den Bildern Carl Spitzwegs wird die Zeit des Biedermeiers in all ihrer Eigentümlichkeit lebendig. Die detailreichen Milieu- und Charakterstudien des 1808 in Unterpfaffenhofen bei München geborenen Malers schildern eine Epoche, in der das deutsche Bürgertum vor dem Hintergrund politischer Restauration in die Idylle, das Private, die Innerlichkeit flüchtet. Spitzweg schaut nicht als Außenseiter auf diesen heimeligen, romantisch-verklärten Winkel der Welt, sondern als einer, der selbst in diesem von Sonderlingen, Eigenbrötlern, seltsamen Zauseln und komischen Käuzen bevölkerten Kleinbürger-Universum lebt.
Vom Autodidakten zum "Armen Poeten"
So zeigt er uns mit viel Sympathie die Schrullen seiner Zeitgenossen - und mit ebenso viel Lust am Spott die verlogenen Kehrseiten dieser Postkarten-Idylle in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Doch mit seinen Karikaturen ähnlichen Kunstwerken erntet Carl Spitzweg in der Kunstwelt keine Anerkennung. Jahrelang strafen die studierten, arrivierten Künstler den autodidaktischen Seiteneinsteiger mit Verachtung, denn eine Kunstakademie hat Spitzweg nie besucht. Mit dem Kopieren alter Meister in Münchens Alter Pinakothek bringt er sich als Jugendlicher selbst das Handwerk bei. Als eines seiner frühesten Bilder malt Spitzweg 1827 das heute berühmteste Motiv seines Gesamtwerks: "Der arme Poet". Es wird von der Kritik derart verrissen, dass Spitzweg sich entscheidet, fortan seine Bilder nur noch mit einem Monogramm zu signieren.
Meisterwerke auf Zigarrenkisten
Der Sohn aus großbürgerlicher Familie sollte nach dem Willen seines Vaters eigentlich Pharmazeut werden. So betreibt Spitzweg nach seinem mit Auszeichnung bestandenen Studium zunächst eine Apotheke. Doch dank einer üppigen Erbschaft kann er sich schon mit 25 Jahren ins Privatleben zurückziehen und von 1833 an ganz der Malerei zu widmen. Viele seiner in den folgenden 50 Jahren entstehenden 1.200 bis 1.500 Bilder und Zeichnungen sind klein, ja winzig, manchmal nur 15 Zentimeter groß. Spitzweg ist passionierter Zigarrenraucher. Wenn er mit seinem Malkasten herumstreift, benutzt er als Leinwand gern die Rückseite der Zigarrenkisten.Wenig bekannt ist, dass Spitzweg sich wie sein Zeitgenosse und "Bruder im Geist" Wilhelm Busch auch als Dichter betätigt. "Schau i so rum: Alle sans dumm! Was mich aba freut: I alloa bin der Gscheit!" reimt er einmal selbstironisch. Reich wird Carl Spitzweg zeitlebens durch seine Kunst nicht. Nur einen kleinen Teil seines Gesamtwerks kann er überhaupt verkaufen, meist an großbürgerliche Liebhaber. Am 23. September 1885 erliegt der unverheiratet gebliebene Meister der heiteren Romantik mit 77 Jahren in seiner Münchner Wohnung einem Schlaganfall.
Stand: 23.09.10