Illich Ramírez Sanchez alias Carlos, venezolanischer Terrorist

Stichtag

14. August 1994 - "Carlos" wird im Sudan festgenommen

Wien, 21. Dezember 1975: Sechs Bewaffnete stürmen eine Konferenz der Organisation erdölexportierender Länder. Es ist ein Routine-Treffen der OPEC-Staaten. Ein dunkelhaariger Mann mit Hornbrille führt das Kommando. "Carlos", auch der "Schakal" genannt, wird in Frankreich bereits wegen mehrerer Anschläge gesucht. "Bei der Fahndung ist man auf seine konspirative Wohnung gestoßen und dort lag der Roman von Frederick Forsyth, der Agententhriller 'Der Schakal'", sagt der Journalist Oliver Schröm, der über "Carlos" ein Buch geschrieben hat. Der Überfall in Wien soll auf den palästinensischen Kampf aufmerksam machen. Auftraggeber ist die Palästinenser-Organisation PFLP. Drei Menschen werden erschossen, über 60 als Geiseln genommen.

Die Tat macht "Carlos" zum Gesicht des internationalen Terrorismus. In den 1970er und 1980er Jahren gehen rund 100 Anschläge, über 80 Tote und annähernd 2.000 Verletzte auf sein Konto. Mehrere Deutsche sind an seiner Seite, die überwiegend Mitglieder der sogenannten Revolutionären Zellen waren, wie auch seine spätere Frau Magdalena Kopp. "Carlos bestimmte, was gemacht werden musste", sagt sie rückblickend. Geboren wird der "Schakal" am 12. Oktober 1949 in Venezuela als Ilich Ramírez Sánchez. Die Eltern geben ihren drei Söhnen russische Vornamen. "Alle wurden nach Lenin benannt", so Journalist Schröm. "Sein Vater war ein linker Anwalt und schickte 'Carlos' zum Studium nach Moskau." Dort bekommt er Kontakt zu palästinensischen Gruppen.

"So etwas wie ein Terror-Söldner"

In einem Palästinenserlager in Jordanien erhält Sánchez eine Kampfausbildung, legt sich den Kampfnamen "Carlos" zu und wird von der PFLP anschließend nach Europa geschickt. Sein erster Mordanschlag auf einen jüdischen Geschäftsmann in London scheitert 1973 jedoch. 'Carlos' taucht unter. Anschließend verbreitet er in Frankreich mit mehreren Aktionen Angst: ein Autobombenanschlag, ein Attentat auf ein Restaurant, zwei misslungene Anschläge auf Flugzeuge der israelischen Fluggesellschaft El-Al, zwei erschossene Polizisten, ein getöteter Mossad-Agent. "Carlos war ein Mensch, der Leute brutal umbringt", sagt seine ehemalige Komplizin Magdalena Kopp. Er habe eine Blutspur in Europa hinterlassen, die im Wiener OPEC-Überfall gegipfelt habe: "Sicher macht ihn das in der Weltpresse zu einem Mann, der sich aufführte wie Che Guevara."

Die PFLP trennt sich jedoch von ihm, weil er entgegen dem Auftrag die iranischen und saudischen Ölminister bei der OPEC-Konferenz nicht erschossen, sondern stattdessen 40 Millionen Dollar Lösegeld der Saudis in die eigene Tasche gesteckt hat. "Carlos" gründet daraufhin die "Organisation des bewaffneten arabischen Kampfes". "Er war dann so etwas wie ein Terror-Söldner", sagt Autor Schrömer. "Wenn irgendein Staat irgendwo einen Anschlag verüben lassen wollte, ohne dass sofort die Spur zu ihm führte, hat man 'Carlos' dazwischen geschaltet und ihm diesen Auftrag erteilt." Diesen Dienst hätten unter anderem Irak, Syrien und Libyen genutzt.

Kontakte zu Geheimdiensten

Die syrische Hauptstadt Damaskus wird der Stützpunkt des "Schakals". Aus der Ferne steuert er seine Aktionen in Europa und im Libanon. "Wir sind sehr viel rumgereist", erinnert sich Kopp. "Wir machten Kontakte zu Gruppen, zu Geheimdiensten." Auch zum Ministerium für Staatssicherheit der DDR gibt es beste Verbindungen. Gruppenmitglieder pendeln zwischen den Hauptstädten Osteuropas und Damaskus. Nachdem Kopp und ein Begleiter 1982 in Paris bei der Vorbereitung eines Bombenanschlags festgenommen werden, führt "Carlos" einen Privatkrieg gegen Frankreich. Dazu gehört 1983 auch der Auftrag für den Anschlag auf das französische Kulturzentrum Maison de France in West-Berlin. "Carlos"-Stellvertreter Johannes Weinrich landet mit Sprengstoff im Gepäck in Ost-Berlin. Die Stasi kennt den Plan und lässt die Terroristen gewähren.

1991 muss der "Schakal" Syrien verlassen. "Er ging über etliche Zwischenstationen in den Sudan, war da ein Weilchen sicher, bis dann auch der Sudan unter Druck kam und sowohl die CIA als auch der französische Dienst herausgefunden haben, dass sich 'Carlos' in Khartum versteckt", sagt Autor Schrömer. Eine Unterleibsoperation wird am 14. August 1994 genutzt, um den Gesuchten festzunehmen: Während der Narkose wird er im Schlafanzug in einen Leichensack gelegt, zum Flughafen gebracht und nach Frankreich ausgeflogen, wo ihm der Prozess gemacht wird. Die Anwälte von "Carlos" kritisieren die Aktion als rechtswidrige Entführung. Der Beschuldigte gibt sich vor Gericht in Paris noch siegessicher: "Die Akte ist ein Witz. Sie enthält nichts, was man mir vorwerfen könnte." Ende Dezember 1997 wird "Carlos" allerdings zum ersten Mal und im Dezember 2011 erneut zu lebenslanger Haft verurteilt.

Stand: 14.08.2014

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