Sonny Liston ist als Boxer unbesiegbar. Das jedenfalls glaubt die Fachwelt. Tatsächlich ist Liston, ein Kind des Ghettos, der beste Puncher seiner Zeit. Wo der Furcht einflößende Schwergewichtsweltmeister hinschlägt, gehen Gegner reihenweise zu Boden. Da hat Cassius Clay, so glaubt die Fachwelt, am 25. Februar 1964 keine Chance.
Aber Liston hat eine Schwäche außerhalb des Boxrings: Er ist zu stark in Geschäfte mit der Mafia verwickelt. Der Kampf von Clay und Liston dient vor allem auch dem Zweck, dem unterweltgeführten Profiboxen einen Schlag zu versetzen. In diesem Sinn wird Cassius Clay zur "white hope", zur Hoffnung der weißen Mittelschicht der USA.
Psycho-Kampf im Vorfeld
Bereits vier Jahre vor dem Kampf hat Clay auf sich aufmerksam gemacht. Bei den Olympischen Spielen in Rom erkämpft sich der smarte 18-jährige Amateur aus Louisville im US-Bundesstaat Kentucky eine Goldmedaille, damals noch im Halbschwergewicht. Daraufhin wechselt er ins Profigeschäft. Für Clay selbst bedeutet der Kampf gegen Liston so oder so den Karriereknick. Eine Niederlage wäre das Aus, bei einem Sieg ginge die Erfolgskurve schlagartig nach oben.
Clay weiß, dass Kämpfe vor allem im Kopf entschieden werden. Deshalb setzt er im Vorfeld alles daran, seinen Gegner zu demütigen. Unter den Augen der entsetzten USA beleidigt er Liston als hässlichen Bären, dem er das Fell über die Ohren ziehen werde. Im Bus fährt er mit bezahlten Teenagern ins Trainingslager des Champions, klingelt ihn nachts aus dem Bett und verspricht, ihn fertig zu machen.
Noch beim öffentlichen Wiegen gerät Clay so außer sich, dass der Schwergewichtsweltmeister seinen Herausforderer im Verbund mit den Anwesenden für verrückt erklärt. Den viel zu hohen Puls von 120 führt Clay dabei aus strategischen Gründen herbei: Nun glaubt erst recht niemand mehr an seinen Sieg.
Ganz neue Boxästhetik
Beim Kampf wird das Publikum Zeuge einer völlig neuen Boxästhetik. Während sich Liston direkt auf seinen Gegner stürzt, um ihn in guter alter Tradition in der ersten Runde k.o zu schlagen, weicht Clay den Schlägen tänzelnd aus. Auf seinen knallharten Punch vertrauend wartet der Weltmeister im Ring, während Clay seine Schläge abfedert, indem er mit dem Rücken nach hinten ausweicht. Schnell ist Liston ermüdet, vor allem aber heillos verwirrt. Clay nutzt das, um selbst harte Schläge zu platzieren.
In der fünften Runde sind Clays Augen zugeschwollen. Trotzdem schafft er es, den Schlägen Listons auszuweichen. In der sechsten Runde "teilte er Schläge aus, die aus allen Richtungen gleichzeitig zu kommen schienen", schreibt sein Biograf José Torres. Beim Gongschlag zur siebten Runde bleibt Sonny Liston einfach in der Ringecke sitzen. Er kann nicht mehr. Cassius Clay ist Box-Weltmeister im Schwergewicht. "Ich bin der Größte!", schreit ein selbst erstaunter Clay. "Ich bin erst 22 Jahre alt. Ich muss der Größte sein. Ich bin Gott."
Das weiße Amerika allerdings hat mit seiner farbigen Hoffnung einen Pyrrhussieg errungen. Noch auf der Pressekonferenz gibt der neue Champion an, seinen "Sklavennamen" ablegen zu wollen. Als Muhammad Ali wird er Mitglied und Priester der "Nation of Islam".
Stand: 25.02.2014
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