Stichtag

10. September 2009 - Vor 15 Jahren: Dariusz Michalczewski wird Box-Weltmeister

"Ich habe 30 Millionen verhurt und versoffen." Diese nüchterne Selbsterkenntnis stammt von Einem, der in den Annalen des Profi-Boxens als erfolgreichster Weltmeister aller Zeiten im Halbschwergewicht geführt wird. 23 Mal, häufiger als jeder andere Champion seiner Gewichtsklasse, hat Dariusz Michalczewski seinen Titel verteidigen und dafür Rekordbörsen kassieren können. Heute soll der Boxer, der von seinen Fans "Tiger" genannt wird, beinahe pleite sein. Ob Saufgelage, Promillefahrten oder Bordellbesuche, Seitensprünge, Scheidungskrieg und Alimentenstreit, Michalczewski war und ist auch außerhalb des Rings immer gut für dicke Schlagzeilen. Doch obwohl er im Leben viele Niederlagen einstecken musste, ist der in Deutschland eingebürgerte Pole mit dem großen Mundwerk seinen Gegnern meist überlegen. Seinen größten Triumph erringt Dariusz Michalczewski am 10. September 1994 in Hamburg, als Herausforderer von WBO-Weltmeister Leeonzer Barber.
 

Als frisch gebackener Amateur-Europameister war der 1968 in Danzig geborene Michalczewski 1991 zum Universum-Stall ins Profilager gewechselt. Nach dem Gewinn der Intercontinental-Meisterschaft bietet ihm die World Boxing Organization (WBO), der kleinste der vier Profi-Verbände, die ersehnte Chance zu einem WM-Kampf im Halbschwergewicht. Zwölf Runden lang findet der schwarze Titelverteidiger Barber in der Hamburger Sporthalle kein Mittel gegen den diszipliniert kämpfenden Newcomer aus Germany, dessen pfeilschnelle Linke immer wieder ihr Ziel findet. Der Tiger zermürbt seinen zwei Jahre älteren Gegner dermaßen, dass Barber nach der elften Runde in die falsche Ringecke wankt. Nein, stöhnt der demoralisierte Amerikaner nach dem Schlussgong, nie habe er damit gerechnet, jemals gegen einen Weißen zu verlieren. Einstimmig erklären die drei Kampfrichter Dariusz Michalczewski zum haushohen Punktsieger. "Ich bin sehr glückliche Mensch", ruft der neue Weltmeister mit sich überschlagender Stimme seinem Publikum zu, während der Unterlegene fluchtartig die Halle verlässt.

Zwar sichert sich der Tiger 1994 gegen Nestor Giovanni auch noch den Weltmeistergürtel im Cruiser -Gewicht, doch um die gebührende öffentliche Anerkennung kämpft er in den folgenden Jahren beinahe vergeblich. Zum einen, weil seine Gegner, so raunt die Branche, nicht immer die Stärksten sind. Zum anderen, weil der in Danzig als vaterloser Straßenschläger groß gewordene Tiger neben dem populären "Gentleman"-Weltmeister Henry Maske meist als trinkender und pöbelnder Prolet wahrgenommen wird. Legendär sind etwa Michalczewskis Wort- und Ringgefechte mit seinem nicht minder aggressiv auftretenden Erzrivalen "Rocky" Rocchigiani. Neun Jahre lang kann Dariusz Michalczewski seinen Weltmeistertitel verteidigen und bleibt dabei in 48 Profikämpfen ungeschlagen. Mit dem 49. Sieg würde er den Rekord des unvergessenen amerikanischen Superchampions Rocky Marciano einstellen. Doch in Julio Cesar Gonzales  findet Michalczewski im Oktober 2003 seinen Meister. Nach einem völlig missratenen Comeback-Versuch, der im Februar 2005 mit dem ersten K.o. seiner Profilaufbahn endet, hängt Dariusz Michalczewski mit 37 Jahren die Boxhandschuhe endgültig an den Nagel.

Stand: 10.09.09