"Zauberbilder. ... Worte des Lichts." Das notiert William Henry Fox Talbot im März 1839 in sein Arbeitsjournal. Er fotografiert wie besessen. Jahrelang hat sein neues Fotografie-Verfahren in der Schublade geschlummert. Jetzt will er keine Zeit mehr verlieren. "Talbot ist ein besonderer Mensch gewesen, zumal er sich nicht nur mit der Fotografie beschäftigte, sondern auch mit Literatur und Naturwissenschaften", erklärt Hubertus von Amelunxen, der Ende der 1980er-Jahre eine Ausstellung über William Talbot kuratierte.
Für ihn gilt der Engländer als der eigentliche Vater der Fotografie – obwohl Joseph Nicéphore Niépce das erste Foto überhaupt machte und Louis Daguerre zu den Fotopionieren zählt. "Talbot war außerordentlich bekannt in den Wissenschaftlerkreisen seiner Zeit. Mit 30 Jahren wurde er Mitglied der Royal Academy. Da hatte er schon viele naturwissenschaftliche, astronomische und mathematische Schriften und eine Märchensammlung veröffentlicht", sagt Hubertus von Amelunxen.
Zeichnen kann er nicht
William Talbot, Sohn aus adeligem Haus, Abschluss am renommierten Trinity-College in Cambridge, ist einer der letzten Universalgelehrten. In Mathematik, Chemie und Botanik ist er ein Genie – nur zeichnen kann er nicht. "Es war im frühen Oktober 1833, als ich mich an den bezaubernden Ufern des Comer Sees in Italien damit vergnügte, die Landschaften mittels der Camera Lucida von Wollaston zu skizzieren. Um ehrlich zu sein: Ich versuchte es wenigstens, doch war das Resultat eher dürftig", schreibt Talbot selbst.
Er kommt auf den Gedanken, dass ein Bild auch physikalisch und chemisch machbar sein müsste. Er experimentiert mit Lochkameras, in die er lichtempfindliches Papier legt. Seine ersten Versuche sind so genannte Photogramme, Schattenbilder von Blättern, Spitzen und anderen flachen Gegenständen von vielfältigen Formen und Umrissen.
Am 28. Februar 1835 notiert Talbot in sein Tagebuch: "Im Photogenischen oder Skiagraphischen Prozess kann, wenn das Papier transparent ist, die erste Zeichnung zum Gegenstand für die Herstellung einer zweiten Zeichnung werden, in der Licht und Schatten dann vertauscht wären." William Henry Fox Talbot beschreibt das Negativ – ohne sich über die Bedeutung im Klaren zu sein. Irgendwann packt er alles wieder in die Schublade und widmet sich anderen Dingen. Er öffnet sie erst wieder, als er 1839 von der Daguerreschen Erfindung erfährt - nun will er dem Franzosen zuvorkommen.
Später entziffert er Hieroglyphen
Am 31. Januar 1839 berichtet William Henry Fox Talbot der Royal Society über seine Entwicklung, die photogenischen Papierzeichnungen. Richtig ernst nimmt ihn kaum jemand. "Man hat die eigentliche Qualität des Negativ-Positiv-Verfahrens nicht sofort begriffen", erklärt Hubertus von Amelunxen. Doch Talbot glaubt, das seine Methode der Daguerreschen Erfindung teilweise überlegen ist: "Zum Beispiel in Hinblick auf die Fähigkeit zur Vervielfältigung von Abzügen und damit zur Publikation eines Werkes mit photographischen Tafeln."
Im Februar 1841 meldet William Henry Fox Talbot ein weiterentwickeltes Negativ-Positiv Verfahren zum Patent an. Er nennt es jetzt Kalotypie. Das Verfahren bleibt im Prinzip bis zum Beginn des Digitalzeitalters die Grundlage der modernen Fotografie. Für einige Historiker ist Talbot deswegen deren eigentlicher Erfinder. "Doch 1846 hört seine photographische Tätigkeit quasi auf. Er entwickelt noch erfolgreich mehrere Druckverfahren, zum Beispiel das erste Autotypieverfahren. Dann widmet er sich anderen Sachen, nämlich der Etymologie und Ägyptologie. Er entziffert Hieroglyphen", sagt Hubertus von Amelunxen.
Stand: 01.02.2014
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 31. Januar 2014 ebenfalls an William Talbot. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.