Seine erste Zeitschrift mit Kreuzworträtseln sieht Kurt Tucholsky beim Bademeister. Auf dem Fensterbrett von dessen Badekabine hätte sie gelegen, wird sich der Schriftsteller 1930 in einem Beitrag für die "Vossische Zeitung" erinnern. Tucholsky wird süchtig - und verzweifelt. "Der Bademeister brachte mir, trinkgeldlüstern, noch weitere achtzehn Rätselzeitschriften. Aber es fehlten immer gerade die Nummern, in denen die Lösungen jener enthalten waren, an denen ich gerade knabberte."
Aus dieser Not macht Tucholsky eine Tugend. Er erfindet kurzerhand alle Lösungen, die er nicht kennt – und wird so schon früh zum Dichter. "Es tauchten geradezu abenteuerliche Wörter auf. 'Mippel' und 'Flunz' und 'Bakikeke'. So erbaute ich mir eine neue Welt.
Denkwürdige Weihnachten
Der Hang zum Rätseln ist so alt wie die Menschheit. Aber die Idee, Fragen zu Wörtern in Buchstabenkästen zu fassen, stammt von 1913. Damals erhält der Feuilletonredakteur der "New York World", Arthur Wynne, von seinem Chef den Auftrag, für die Weihnachtsbeilage der Zeitung etwas ganz Besonderes zu machen.
Der Überlieferung nach erinnert sich Wynne an eine Erzählung seines Großvaters zum "Magischen Quadrat", in dem die senkrecht angebrachten Lösungswörter identisch mit den waagerechten sind. Er löst sich aber von der Vorgabe und erfindet das Kreuzworträtsel in seiner heutigen Form. Am 21. Dezember 1913 wird das erste seiner Art veröffentlicht.
"Läppische sinnlose Sache"?
Es dauert nicht lange, da bricht in den USA das Kreuzworträtselfieber aus. Psychologen untersuchen das Verhältnis von Lösungsgeschwindigkeit und Intelligenzquotient, Professoren, Polizisten und Feuerwehrleute treffen sich zu Rätselturnieren. Auf Stoffen, Manschettenknöpfen und Krawatten erobert das schwarz-weiße Gitterspiel die Mode.
Kritiker lassen nicht lange auf sich warten. 1925 etwa fordert der Rabbi Lewis Browne vom Rätselbuchverlag "Simon & Schuster", die Produktion aufzugeben – andernfalls wolle er ein Volksbegehren anstrengen, um sie per Verfassungsänderung verbieten zu lassen. Bereits ein Jahr zuvor hatte die Londoner "Times" berichtet, dass dem Bruttosozialprodukt der USA fünf Millionen Stunden Arbeitszeit für diese "läppische sinnlose Sache" verloren gingen.
Der Kreuzworträtsel-Foxtrott
Nach Europa schwappt die Kreuzworträtselmanie im Jahr 1925. Das erste deutsche Kreuzworträtsel erscheint in der Berliner Zeitung. Kurz darauf komponiert Rudi Schwarz gar einen Kreuzworträtsel-Foxtrott, den das Wenskat-Orchester 1926 zum Erfolg führt.
Heute erscheinen regelmäßig mehr als 300 Rätselzeitschriften. Allein der "Deutsche Rätselverlag" bringt jährlich 50 Millionen Einzelexemplare unters Volk. Es ist ein Geschäft, das sich lohnt: Über 42 Millionen Bundesbürger kommen vom Kreuzworträtseln nicht mehr los.
Stand: 21.12.2013
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 21. Dezember 2013 ebenfalls an die Erfindung des Kreuzworträtsels. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.