Jean-Pierre Blanchard ist ein Held in Unterwäsche. Als er bei seiner Überquerung des Ärmelkanals im Heißluftballon im Frühjahr 1785 ins Trudeln gerät, muss er als Ballast sogar seine Kleidung aus dem Korb seines bedrohlich schnell sinkenden Gefährts abwerfen, um heil von Dover nach Calais zu kommen. So schafft er es letztendlich und wird trotz – oder gerade wegen – seines eher lächerlichen Ankunftsoutfits berühmt.
Vom Pariser Marsfeld abgehoben
Geboren wird Blanchard 1753 in der französischen Gemeinde Les Andelys. Schon früh interessiert er sich für die Luftfahrt, aber seine Experimente mit frei schwingenden Flügelapparaten scheitern. Der Ballonfahrt wendet er sich zu, als die Gebrüder Montgolfier 1783 erfolgreich mehrere, teils bemannte Heißluftballone in die Lüfte steigen lassen und der Physiker Jacques Alexandre César Charles im selben Jahr einen mit Wasserstoff gefüllten Seidenballon konstruiert, der ebenfalls flugfähig ist.
1784 hebt Blanchard auf dem Pariser Marsfeld erstmals vom Boden ab – und wird der Überlieferung nach von herbeilaufenden Bauern empfangen, die sich kniend und betend um die Ankunft der scheinbaren Gottheit versammeln. Die Überquerung des Ärmelkanals 1785 macht ihn zum Ehrenbürger von Calais und beschert ihm eine lebenslange Leibrente von König Ludwig XVI. Später wird er auch in Hannover zum Ehrenbürger ernannt.
Der 33. Aufstieg
Aber Blanchard ist nicht nur ein Pionier der Luftfahrt: Er ist auch ein Showtalent. Mit dem Geld des Königs im Rücken startet er mit seinem Heißluftballon eine zweite Karriere als Schausteller; bis zu 60.000 Zuschauer betrachten seine Vorführungen. 1785 springt er als erster Mensch mit einem Fallschirm aus großer Höhe ab; im selben Jahr vollführt er über den Augen eines begeisterten Publikums seiner erste Luftfahrt über Deutschland. Danach steigt er in Hamburg und Nürnberg in die Lüfte.
Am 27. September 1788 erhebt sich Blanchards schwarz-gelb gestreifter Heißluftballon vom Exerzierplatz des Berliner Tiergartens aus und fährt bis in eine Region, die heute zum Stadttteil Karow gehört. Dort erinnert der Ballonplatz an das Ereignis. Es ist deshalb bemerkenswert, weil bereits mehrere Berliner Wissenschaftler zuvor erfolglos versucht hatten, einen Ballon zu konstruieren, um über die Stadt zu fahren. Für Blanchard ist dieser Flug bereits Routine: Es wird sein 33. erfolgreicher Aufstieg.
Jean-Pierre Blanchard stirbt 1809 in der Nähe von Paris.
Stand: 27.09.2013
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