Joseph Montgolfier ist zwanzig Jahre alt, als er der traurigen Séraphine begegnet. Unter Tränen schickt die junge Schäferin Seifenblasen zum Himmel. Küsse seien es, sagt sie dem jungen Mann: Küsse, die sie der verstorbenen Mutter schicke. Der Legende nach verspricht Joseph Montgolfier ihr daraufhin ein Luftschiff zu bauen, mit dem sie zur Mutter aufsteigen könne.
Das "Teufelswerk"
Geboren wird Joseph Montgolfier 1740 in Annonay bei Lyon. Sein Vater ist Papierfabrikant. Den Keller von dessen Papiermühle nutzt Joseph später gemeinsam mit seinem Bruder Étienne für seine Experimente. Die Brüder wollen ergründen, warum Seifenblasen und Hemden, die zum Trocknen über dem Feuer hängen, zu schweben beginnen. Die Lösung, auf die wohl der findigere Joseph kommt, ist ebenso simpel wie Weg weisend: Der Grund ist heiße Luft.Mit dieser Erkenntnis im Rücken lassen die Brüder 1782 einen selbstgebastelten Quader aus Taft und Papier in die Lüfte steigen. Es folgen Versuchsballons, die immer größer werden. 1783 laden die Erfinder erstmals die Öffentlichkeit ein, einer ihrer "Aérostatischen Maschinen" mit Feuerantrieb beim Fliegen zuzusehen. Den Schaulustigen fallen vor Staunen fast die gepuderten Perücken vom Haupt, Feldarbeiter fürchten, ihnen falle der Mond auf den Kopf. Als der zwischen Weinreben gelandete Heißluftballon der Montgolfiers Feuer fängt, geben sie dem "Teufelswerk" den Rest.
Der König geht zur Truthahnjagd
Die Nachricht vom Flug verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Die Brüder Montgolfier begreifen, dass sie sich sputen müssen, um in die Geschichte der Luftfahrt einzugehen. Ihre Chance kommt, als Ludwig XVI. zum Geburtstag seiner Gattin Marie Antoinette eine öffentliche Vorführung anberaumt. Der Vorschlag, Menschen an Bord zu nehmen, erscheint dem Regenten allerdings allzu gewagt. So steigen 1783 ein Schaf, eine Ente und ein Hahn vor Schloss Versailles in den 24 Meter hohen Ballon. Das Schaf wird berühmt, weil Marie Antoinette es später "Montauciel" ("Himmelsfahrer") tauft. Anders als die anderen Tiere trägt es keine physischen Blessuren davon.Nun drängen die Brüder darauf, selbst in die Lüfte zu gehen. Aber die Familie ist dagegen. So gebührt dem abenteuerlichen Aristokraten Jean François Pilâtre de Rozier und dem Marquis François d’Arlandes die Ehre, im November 1783 an Bord zu sein. Der König geht lieber auf Truthahnjagd. Erst als Glückwunschtelegramme aus aller Welt eintreffen, begreift er, welches weltgeschichtliche Ereignis er versäumt hat.1789 bricht die Französische Revolution aus und setzt der himmelstürmenden Ballonfahrt vorerst ein Ende. Joseph Montgolfier stirbt am 26. Juni 1810 in Balaruc-les-Bains.
Stand: 26.06.10