Stichtag

11. Mai 1988 - Kim Philby stirbt in Moskau

Bis zu seiner Flucht ins Moskauer Exil trickst er westliche Geheimdienste aus, macht Karriere beim britischen Secret Intelligence Service (SIS) und verrät ungezählte Staatsgeheimnisse an die Sowjetunion: Der britische Diplomatensohn Kim Philby gilt als erfolgreichster Agent des Kalten Krieges. Von Anfang an spielt Geld für ihn keine Rolle. Er habe bereits im Alter von 19 Jahren entschieden, "dass es den Reichen viel zu lange viel zu gut gegangen war und den Armen viel zu lange viel zu schlecht - und dass es Zeit war, das zu ändern", sagt er rückblickend.

"Das britische Establishment infiltrieren"

Geboren wird Philby am 1. Januar 1912 im indischen Ambela. Sein Vater ist ein bekannter britischer Kolonialbeamter aus der Oberschicht des Empires. Philby besucht die Westminster School in London und studiert von 1929 bis 1933 Geschichte in Cambridge. Dort schließt er sich einem sozialistischen Studentenbund an, kommt mit der Kommunistischen Internationalen (Komintern) in Kontakt und darüber mit dem KGB. Von Anfang an ist das Ziel, den britischen Geheimdienst zu unterwandern: "Er bekam sehr früh nach seiner Rekrutierung den Auftrag", sagt "Sunday-Times"-Reporter Phillip Knightley, "das britische Establishment zu infiltieren." Die Jobs, die Philby über seinen Vater vermittelt bekam, sollten ihn für den SIS interessant machen.

Der Plan geht auf: Philby wird in den elitären Geheimdienstkreis aufgenommen. Innerhalb weniger Jahre steigt er zum Abteilungsleiter der Spionageabwehr MI6 auf. In dieser Funktion kann er sowjetische Spione vor der Enttarnung schützen, SIS-Operationen sabotieren und britische Agenten an den KGB verraten. 1949 wird er in Washington Leiter des Verbindungsbüros zwischen SIS und CIA, wo er auch Zugang zu US-Geheimakten bekommt. Dann wird es allerdings eng für Philby: 1951 gerät er in Verdacht, als seine beiden Cambridge-Freunde Guy Burgess und Donald MacIean kurz vor ihrer Enttarnung in die Sowjetunion fliehen. Doch es gelingt ihm, seine Vorgesetzten davon zu überzeugen, dass er als Sohn eines Vaters mit großen Verdiensten um das Vaterland unmöglich ein Verräter sein könne.

"Ich habe niemanden verraten"

Trotzdem verlangt der CIA Philbys Abberufung aus Washington. Er scheidet daraufhin aus dem Geheimdienst aus und arbeitet fortan als Journalist. Für den "Observer" und den "Economist" berichtet er aus Madrid und Beirut. Als jedoch ein abgesprungener Sowjetagent Philby mit seinen Aussagen schwer belastet, entzieht sich dieser einer drohenden Verhaftung im Januar 1963 durch Flucht auf ein sowjetisches Schiff.

Philby lässt sich in Moskau nieder, lebt in einer großzügigen Wohnung und bezieht ein Generalsgehalt. Wenige Monate bevor er am 11. Mai 1988 in der russischen Hauptstadt stirbt, fragt ihn "Sunday-Times"-Reporter Knightley nach möglichen Gewissensbissen. "Ich habe niemanden verraten", sagt Philby. "Ich hatte immer denselben Auftraggeber und dieselben Ansichten. Ich war ein klarer Infiltrationsagent. Wenn die andere Seite dumm genug war, meiner Legende zu glauben, dann ist das ihr Problem." Die getöteten britischen Agenten hätten die Risiken gekannt. "Sie waren ebenso bereit wie ich, im Namen einer politischen Idee Blut zu vergießen."

Stand: 11.05.2013

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