Stichtag

17. Mai 1973 - FAO-Bericht über die Dürrekatastrophe in der Sahelzone

Die Dürre in der Sahelzone währt schon fünf Jahre, von 1968 bis 1973. In den Ländern Tschad, Burkina Faso, Niger und Mali fallen Ernten aus, Menschen essen ihr Saatgut, verlassen die Dörfer, irren umher. "Die Tiere starben – die Ziegen, die Rinder, die Kamele – und dann die Menschen, zuerst die Alten, dann die Kranken und die Kinder. Dann sind wir weiter gezogen." So zitiert der Reporter der Süddeutschen Zeitung einen Dorfbewohner aus Mali. Fotos in den Zeitungen zeigen ausgemergelte Menschen, staubtrockene Böden und Rinderkadaver, über deren Knochen sich das Fell spannt. Das Leben von sechs Millionen Menschen ist in Gefahr. "Die Menschen hatten den Mut verloren", sagt Adolf Wendel vom katholischen Hilfswerk Misereor, damals Zeuge der Hungerkatastrophe.

Lebensfeindliches Gebiet ist rettende Küste

Das Wort Sahel bedeutet im Arabischen Ufer. Es meint, dass die spärliche Vegetation der nördlichen Sahelzone dem Saharadurchquerer wie die rettende Küste vorkommt. Der Landstreifen erstreckt sich über 7.000 Kilometer von den Ländern Senegal und Mauretanien im Westen bis nach Äthiopien und Eritrea im Osten. Seit Jahrtausenden ist das Gebiet besiedelt, obwohl es aus europäischer Sicht lebensfeindlich scheint. Kleinbauern und Nomaden leben hier: Sie pflanzen Hirse an und führen ihre Herden von den grünen Landschaften an den Flüssen Niger und Senegal auf uralten Wegen in die trockenen Gebiete und wieder zurück.

"Vertreter der Regierung fragten, von welcher Dürre wir sprechen"

Die Voraussetzungen für eine langfristige Entwicklung der Region sind in den 1970er-Jahren jedoch schlecht. Es fehlt an Bildung, nur jedes zehnte Kind geht in die Schule. Die Menschen ernähren sich einseitig von Hirse und bewässern ihre Felder nicht. Zudem führen wachsende Viehherden zu einer starken Überweidung der Böden, die immer trockener werden. Im Abstand von wenigen Jahren gibt es schwere Dürren, die immer wieder zu Hungersnöten führen. 1973 wollen die Politiker in den Hauptstädten der Region die Vorzeichen nicht wahrhaben. "Ich kann mich an Konferenzen erinnern, auf denen uns die Vertreter der Regierung fragten, von welcher Dürre wir überhaupt sprechen", sagt Adolf Wendel von Misereor. Je dringender Lebensmittel gebraucht werden, desto teurer werden sie. 100.000 Menschen sterben. Zehntausende ziehen in die Städte, siedeln sich in Slums an, werden Bettler und Tagelöhner.

Gemüseanbau in der Sahelzone

Erst der Aufruf der Welternährungsorganisation FAO am 17. Mai 1973 zeigt Wirkung: Weltweit gehen Spenden und Nahrungsmittel für die Sahelzone ein. Hilfsorganisationen wie Misereor entwickeln nach Ende der Dürre den Gemüseanbau in der Region. Regen fällt im Sahel – wenn er denn fällt – im Juni, Juli und August. In den Monaten danach, wenn die Hirseernte eingebracht ist, lässt sich Gemüse ziehen. "Während der Regenzeit kann man es nicht anbauen, weil es zu feucht und heiß ist. Aber im Anschluss daran gibt es die Möglichkeit. Das war ein Novum, denn in Westafrika wurde bisher kein Gemüse gegessen", sagt Adolf Wendel.

Bessere Wetterdaten und bessere Hilfsmöglichkeiten

Nach der Hungersnot 1973 entspannt sich die Lage vorübergehend. Aber schon in den 1980er-Jahren verhungern tausende Menschen im östlichen Teil des Sahel, in Äthiopien. Das Gebiet bleibt anfällig, drohende Hungersnöte können aber besser abgewendet werden. "Die Hilfsorganisationen haben heute bessere Möglichkeiten, auf drohende Krisen und Katastrophen aufmerksam zu machen. Es gibt viel bessere Wetterdaten, anhand derer wir vorhersagen können, ob und wo es in den nächsten Wochen und Monaten regnen wird", sagt Ralf Südhoff, Leiter des Berliner Büros des Welternährungsprogramms. Im Falle einer Hungerkatastrophe versorgen die Helfer die schwächsten Menschen mit zusätzlichen Nahrungsmitteln – und zahlen den Bewohnern Geld für Arbeiten in ihren Dörfern. Sie bauen Latrinen, befestigen Straßen, bewässern Felder. "So werden sie die nächste Dürre besser selbst meistern", sagt Ralf Südhoff.

Stand: 17.05.2013

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