"An alle Welt! – Ich erkläre: Die Erde ist hohl und im Innern bewohnbar; sie enthält eine Folge ineinander geschachtelter, konzentrischer Kugelschalen und besitzt Öffnungen an beiden Polen. Für diese Wahrheit verpfände ich mein Leben." Diesen Aufruf gibt der US-amerikanische Infanteriekapitän a.D. John Cleves Symmes am 10. April 1818 heraus. Wissenschaftler ignorieren den Möchtegern-Kolumbus zwar weitgehend, aber viele fantastische Romane wären ohne Symmes' Theorie nicht entstanden, darunter Werke von Edgar Allan Poe und Jules Verne.
Symmes: Erde ist eine Matroschka aus Kugelschalen
In seinem Aufruf ernennt sich der hochdekorierte 38-jährige Soldat des Britisch-amerikanischen Kriegs von 1812 zum Propheten der Theorie der hohle Erde. Er präsentiert seinen Zeitgenossen folgende Lehre: Die Erdkugel sei nicht massiv – Erdkern und Erdmantel existieren größtenteils also nicht –, sondern wie eine russische Matroschka aus hohlen Kugelschalen zusammengesetzt. Zudem sei die Hohlkugel an den Polen mehr als zweitausend Meilen weit geöffnet.
Symmes ist so von seiner Theorie überzeugt, dass er das Phänomen selbst in Augenschein nehmen will. Er sucht hunderte Mitstreiter, die mit ihm und Rentierschlitten übers sibirische Eis zu den Poleingängen aufbrechen. "Jenseits des 62. Breitengrad werden wir warmes, fruchtbares Land finden, voller Pflanzen und Tiere, wenn nicht sogar Menschen – dafür verbürge ich mich." John Cleves Symmes schafft es, den US-Kongress dazu zu bewegen, eine Expedition an den Südpol zu finanzieren. Doch die Mission scheitert unterwegs an Meutereien.
Halley: Nordlicht scheint aus Hohlräumen nach außen
Völlig neu ist die Theorie der hohlen Erde nicht. Zum ersten Mal wird sie mehr als hundert Jahre zuvor vom britischen Mathematiker und Astronomen Sir Edmond Halley formuliert. 1691 spekuliert er in einem Artikel für die Londoner Wissenschaftsakademie über eine hohle Erde aus Kugelschalen. Damit konnte er die Veränderungen des Erdmagnetfeldes erklären, und zugleich dem Schöpfer huldigen, weil "die Weisheit des Allmächtigen so viel Oberfläche wie möglich für die Lebewesen bereitstellen wollte", schreibt Halley. Das Nordlicht sei dem Gelehrten nach Licht, das aus den Hohlräumen nach außen scheine.
Auch zu Symmes' Zeiten ist über das Erdinnere fast nichts bekannt, die Polarregionen sind kaum erkundet. Kurzerhand ersetzt er fehlende Information mit Fantasie. Er biegt in seinem Kopf die nördlichen Teile des amerikanischen und eurasischen Kontinents sanft abwärts, dann nach innen, bis sie in die Unterseite der äußeren Schale übergehen; ähnlich am Südpol. So verwandelt er die weißen Flecken der Pole in gewaltige Einstiegsportale zur Erdinnenwelt.
Fantastische Autoren schätzen Theorie der hohlen Erde
Weniger Wissenschaftler und Politiker, sondern vor allem fantastische Autoren – zum Beispiel Edgar Allan Poe, der Tarzan-Autor Edgar Rice Burroughs und Jules Verne – nehmen seine Idee in Werken wie "Arthur Gordon Pym", den "Pellucidar-Büchern" oder "Die Reise zum Mittelpunkt der Erde" auf. Bei unermüdlichen Vortragsreisen ruiniert John Cleves Symmes seine Gesundheit und stirbt 1829 im Alter von noch nicht mal 50 Jahren.
Stand: 10.04.2013
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 10. April 2013 ebenfalls an die "Theorie der hohlen Erde". Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.