Mann auf Laufmaschine von Drais (zeitgen. Zeichnung von 1817)

Stichtag

12. Januar 1817 - Laufmaschine des Freiherrn von Drais patentiert

Der schwerste Vulkanausbruch seit 25.000 Jahren wird zur Initialzündung einer bahnbrechenden Erfindung in der Fahrzeug-Geschichte. Die Explosion des Tambora 1815 in Indonesien schleudert Unmengen von Asche in den Himmel. Die Sonne verschwindet, das Klima kühlt weltweit ab. 1816 erlebt Deutschland ein eiskaltes "Jahr ohne Sommer", Missernten lösen die größte Hungersnot des 19. Jahrhunderts aus. Mit den Menschen sterben auch die Pferde in Massen; das Verkehrswesen steht vor dem Kollaps.

Inspiriert durch den Zugtiermangel erfindet Karl Freiherr von Drais in Karlsruhe ein Fortbewegungsmittel, das den Personenverkehr revolutionieren wird. Seine hölzerne Laufmaschine ist das erste Gefährt mit zwei hintereinander stehenden Rädern, angetrieben allein durch Muskelkraft und damit der Ur-Typ des Fahrrads. Zum Vorwärtskommen stößt sich der sitzende Fahrer, die Unterarme auf Polsterbänkchen gestützt, wechselseitig mit den Füßen vom Boden ab.

„Rasantes Vorwärtsgrätschen“

Im Juni 1817 wagt sich Drais mit seiner Laufmaschine erstmals in die Öffentlichkeit. Auf dem Weg von Mannheim nach Schwetzingen erreicht er einen Schnitt von 14 Stundenkilometern und fährt damit schneller als eine Postkutsche. "Für einen Hollandradfahrer mit Luftreifen und Kugellager heute noch ein sehr ansehnliches Tempo", urteilt der Technik-Historiker Hans-Erhard Lessing. "Es muss ein rasantes Vorwärtsgrätschen gewesen sein." Zwar kennt Drais schon das Prinzip der Tretkurbel, doch, so Lessing, "auf zwei Rädern zu balancieren, mit den Füßen vom Boden weg, konnte sich damals niemand auf der Welt vorstellen."

Der 1785 geborene Forstmeister und Tüftler Drais erfindet Dinge wie den Dampfkochtopf, die Schnell-Schreibmaschine und den Klavierrekorder, der Noten auf Papier aufzeichnet. Großen Erfolg erntet er aber nur mit seiner Laufmaschine, die am 12. Januar 1818 patentiert wird. Er erhält eine Anstellung als Professor für Mechanik und vergibt Lizenzen für den Bau seines Tretrads, das als Veloziped oder Draisine auch in Frankreich und England schnell in Mode kommt. Nach wenigen Jahren jedoch findet der Boom ein jähes Ende. Allerorten wird auf Fußgängerwegen das rasante Rollen im Sauseschritt verboten, auf den zerfurchten Straßen jedoch ist das Fahren mit dem ungelenken Holz-Mobil schlicht unmöglich.

Als "Halbnarr" abgestempelt

Im reaktionären Biedermeier gerät der querköpfige bekennende Demokrat Drais bei der Obrigkeit in Misskredit. Er wird als Irrer diffamiert und von Burschenschaftlern als Feind verfolgt. Drais beginnt zu trinken und verliert durch Verleumdung seine Privilegien am Hofe des Großherzogs von Baden. 1838 entgeht er nur knapp einem Attentat. Im Lauf der Badischen Revolution 1849 legt er seinen Adelstitel ab, wird aber nach der Besetzung durch die Preußen gezwungen, ihn wieder annehmen. Man versucht, ihn zu entmündigen und konfisziert seine Pension. Bettelarm und von Ärzten zum "Halbnarren" gestempelt, stirbt Karl Freiherr von Drais am 10. Dezember 1851 in Karlsruhe.

Während Drais glücklos einem bitteren Ende entgegengeht, beweist seine Laufmaschine ein langes Leben. Noch zu seinen Lebzeiten entwickeln findige Köpfe in ganz Europa die Draisine weiter. Durch Einführung der Tretkurbel um 1850 wird aus dem Veloziped ein Fahrrad mit Pedalen. Das so kuriose wie halsbrecherische Hochrad erweist sich jedoch als konstruktiver Irrweg. Ende des 19. Jahrhunderts erfinden John Dunlop den Luftreifen und Ernst Sachs den Freilauf sowie die Rücktrittbremse. Nun startet das Fahrrad seinen Siegeszug um die Welt; die Ära des modernen Individualverkehrs beginnt.

Stand: 12.01.2013

Nachtrag 23.05.2017

Der in diesem Text erwähnte historische Zusammenhang zwischen dem Ausbruch des Tambora und der Erfindung der Laufmaschine durch Karl von Drais wird inzwischen nach kritischer Prüfung der zum Thema erschienenen Literatur stark bezweifelt oder als falsch bezeichnet. Die Konstruktion der ersten Fahrzeuge mit Tretkurbel erfolgte im Gegensatz zu obiger Darstellung erst rund 15 Jahre nach Drais' Tod im Jahr 1851.

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