Anfang des 20. Jahrhunderts sitzten die Schriftsteller Waldemar Bonsels und Bernd Isemann zusammen im Garten von Isemanns Villa in Oberschleißheim und diskutieren über Romanfiguren. Da behauptet Bonsels, dass man auch aus Tieren literarische Helden machen könne. Die Freunde wollen die Probe aufs Exempel machen: Jeder von ihnen, so der Plan, soll einen Roman mit tierischen Protagonisten schreiben.
Isemanns Ergebnis "Nala und Re. Eine Ameisenfreundschaft" (1920) ist längst vergessen. Bonsels aber schreibt mit "Die Biene Maja und ihre Abenteuer" (1912) einen bis heute weltberühmten – wenn auch inzwischen kaum mehr gelesenen – Bestseller, der sein Überleben einer japanisch-deutsch-österreichischen Trickfilmserie verdankt.
Trost im Ersten Weltkrieg
Geboren wird Bonsels 1880 im schleswig-holsteinischen Ahrensburg. Seine Kindheit ist ebenso behütet wie die seiner literarischen Biene, und ebenso wie diese drängt es den späteren Autor schon bald in die weite Welt. 17-jährig verlässt er das Elternhaus und geht auf Wanderschaft.
Bonsels reist nach Ägypten, Ceylon und Amerika. In der Schweiz und in England zum Missionskaufmann ausgebildet, geht er 1903 für die Basler Mission nach Ostindien – und kehrt enttäuscht über die Christianisierungssstrategien, die vor allem auf die Ausbeutung der getauften Inder als billige Arbeitskräfte hinauslaufen, wieder nach Deutschland zurück.
"Die Biene Maja und ihre Abenteuer" hat es bei ihrem Siegesflug um die Welt zunächst schwer: 72 Verlagsabsagen bekommt Bonsels für seine Geschichte von der neugierigen Biene, die bei ihrer Wanderschaft auf den Rosenkäfer Peppy, den Brummer Hans-Christoph und die Libelle Schnuck trifft. Als das Buch im Dezember 1912 dann erscheint, wird es zu einem Weltbestseller.
Ein Gutteil der Bücher gehtt in den Tornistern der Soldaten während des Ersten Weltkriegs mit an die Front: Der tröstliche Gedanke an die vermeintlich heile Natur macht das Buch ebenso beliebt wie sein martialisches Ende, in dem Maja die Bienen im Kampf gegen die scheinbar übermächtigen Hornissen zum Sieg führt.
"Freche, kleine, schlaue Biene Maja"
1918 kann sich Bonsels vom Erfolg des Buchs und seines Nachfolgebandes „Himmelsvolk“ (1915) eine Villa am Starnberger See kaufen. Überhaupt avanciert er mit seinem Werk zu einem der meistgelesenen Schriftsteller der 20er Jahre. Der Höhenflug endet 1933 mit der Machtübernahme Adolf Hitlers: Die Nationalsozialisten verbrennen seine Bücher – bis auf die "Biene Maja". Daran ändert auch der Versuch des Autors nichts, sich dem Regime anzudienen.
Bonsels stirbt 1952 in Ambach am Starnberger See. Seine "Biene Maja" wird es in 100 Ländern publiziert und in 40 Sprachen übersetzt – darunter auch in einen Bantu-Dialekt, in dem sonst nur die Bibel und das "Dschungelbuch" von Rudyard Kipling erschienen sind.
Ab 1975 entsteht auf Initiative des ZDF in Japan die äußerst erfolgreiche "Biene Maja"-Trickfilmserie, die auch neue Figuren wie etwa den Grashüpfer Flip oder Majas tollpatschigen Bienenfreund Willy einführt. Mit der oft mit schwarzem Humor unterlegten Brutalität der Vorlage und ihrer klaren Botschaft vom Überlebenskampf hat die liebliche Adaption nichts mehr zu tun.
Stand: 04.12.2012
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