Jeden Augenblick und fast mit Lichtgeschwindigkeit prasselt aus dem All eine Strahlung auf die Erde ein. Elementarteilchen, mit so unvorstellbarer Energie abgefeuert, wie sie ein irdischer Teilchenbeschleuniger nie erreichen könnte. Der größte Teil wird von der Atmosphäre und dem Magnetfeld der Erde abgefangen. Wer sich aber in größeren Höhen aufhält, etwa im Hochgebirge oder im Flugzeug, bekommt höhere Dosen der gefährlichen Strahlung ab.
Auch 100 Jahre nach ihrer Entdeckung kann die Wissenschaft nur mit Theorien über den Ursprung der kosmischen Strahlung aufwarten. Erstmals nachgewiesen wird sie durch den 1883 geborenen Österreicher Victor Franz Hess. Der Physiker und begeisterte Ballonfahrer will 1912 ein Phänomen überprüfen: Die Luft auf der Erde ist elektrisch nicht völlig neutral, sondern teilweise ionisiert; ihr fehlen Elektronen. Allgemein geht man davon aus, dass die Radioaktivität in der Erde diese Luft-Ionisation verursacht.
Langes Ringen um Anerkennung
Stimmt die Annahme, überlegt Hess, müsste die Ionisation bei zunehmender Höhe geringer werden. Sechs Mal ist er bereits im böhmischen Aussig in seinem mit Messgeräten beladenen Gasballon aufgestiegen, bei Tag und Nacht und in verschiedene Höhen. Am 7. August 1912, bei seiner siebten Fahrt, steigt er bis auf 4.000 Meter; die Strahlung der Erde ist in diesen Höhen längst unwirksam. Doch Hess misst erstaunliche Daten: Eine elektromagnetische Strahlung, Gamma-Strahlung genannt, ist dort um die Hälfte stärker als am Boden. In 5.000 Meter Höhe hat sich die Gammastrahlung bereits verdoppelt.
Damit hat Hess bewiesen, dass irdische Radioaktivität als Ursache der Gamma-Strahlung nicht infrage kommt. Der Physiker findet nur eine logische Erklärung für das Rätsel: Die starke, noch unbekannte Strahlung kommt aus dem Kosmos und je höher man aufsteigt, umso mehr nimmt sie zu. Victor Hess tauft seine Beobachtung "Höhenstrahlung". Zwei Jahrzehnte lang muss er um die Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistung ringen. Erst 1936 wird er für die Entdeckung der kosmischen Strahlung mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.
Ursachensuche am HESS-Observatorium
1938 muss Hess mit seiner jüdischen Frau Österreich verlassen. Das Paar emigriert nach Amerika, wo Hess seine Arbeit in New York fortsetzt. Von der Wissenschaft fast vergessen, stirbt er dort am 17. Dezember 1964. - Fast fünf Jahrzehnte später ragen im Khomas-Hochland von Namibia vier Spiegel-Teleskope aus dem Wüstensand. Ein fünftes ist gerade im Bau. In der meist wolkenfreien und nicht von Fremdlicht beeinflussten Einöde wollen Astroteilchenphysiker am HESS-Observatorium (High Energy Stereoscopic System) endlich den Ursprung der kosmischen Strahlung zweifelsfrei beweisen.
Ein Teil stammt von der Sonne, das ist inzwischen klar. Er verursacht die arktischen Polarlichter. Als maßgebliche und vielleicht einzig plausible Quelle der weit energiereicheren Strahlung haben die HESS-Experten Supernovas in Verdacht. Nur die Explosion eines großen Sterns an seinem Lebensende, so die gängige These, kann kosmische Energien von solch ungeheurem Ausmaß freisetzen. Einige Supernovas kommen als Kandidaten für den gesuchten Nachweis infrage. Um deren Signale auf dem Weg durchs All aufzufangen, liegen die Astroteilchenphysiker jede Nacht in der namibischen Wüste auf der Lauer.
Stand: 07.08.2012
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 7. August 2012 ebenfalls an Victor Hess. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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