Reno-Rolltreppe bei Vorführung, groß technisches Detail (Zeichnung)

Stichtag

19. November 1891 - Der Vorläufer der Rolltreppe entsteht

Nicht nur den Säumigen bestraft das Leben, manchmal auch den, der zu früh kommt. Das muss Nathan Ames aus Massachusetts, der Urvater aller Rolltreppen, erfahren, als er 1859 seine "Revolving Stairs" zum US-Patent anmeldet. Eine Erfindung mit großer Zukunft, doch gegen den absturzsicheren Lift, mit dem der New Yorker Elisha Otis zur selben Zeit die Welt der vertikalen Beförderung erobert, ist Ames chancenlos. Seine fahrende Treppe wird nie gebaut, die Pläne verschwinden in der Schublade.

Drei Jahrzehnte später sind die Bevölkerungszahlen der großen Metropolen rapide in die Höhe geschnellt. In Warenhäusern können die Otis-Fahrstühle den Kunden-Ansturm auf die oberen Etagen kaum noch bewältigen. Da wird 1895 im New Yorker Vergnügungspark Coney Island ein "endloses Transportband für Menschen" zur Sensation. Erdacht hat es 1891 der 34-jährige Eisenbahn-Ingenieur Jesse Wilford Reno. Als "Endless Conveyor or Elevator" patentiert, ist es die erste je errichtete Anlage zur diagonalen Personenbeförderung.

Von der Rummel-Attraktion zum Massentransportmittel

Stufen wie die rollende Treppe von Ames hat Renos Konstruktion nicht. Die Menschen stehen mit schräg angewinkelten Füßen auf einem Endlos-Band von gelenkig gekoppelten, gerillten Holzbrettchen. Halt verleiht ihnen ein mit Plüsch bezogener Handlauf auf der rechten Seite. Da Renos Elevator bis zu 4.000 Personen pro Stunde befördern kann, macht die ratternde Rummel-Attraktion bald als Massentransportmittel in Kaufhäusern und im öffentlichen Leben Karriere. Als im Jahr 1900 die New Yorker Hochbahn ihre Bahnhöfe gleich mit 100 Personen-Fließbändern ausrüstet, ist Jesse Reno ein gemachter Mann.

Als eigentlicher Vater der Rolltreppe, die richtig Fahrtreppe heißt, gilt jedoch George A. Wheeler. 1892, nur fünf Monate nach Renos Patentantrag, lässt sich der Erfinder in den USA seinen "Inclined Elevator" schützen. Wie Nathan Ames’ Ur-Modell befördert Wheelers geneigter Lift die Menschen auf endlosen Treppenstufen in die Höhe. Und wie Ames bleibt Wheeler das Erfinderglück versagt. Geschäftlich wenig talentiert, scheitert er an der Vermarktung und muss 1898 sein Patent an den Erfinder Charles Seeberger abgeben. Der lässt die Rolltreppe clever unter der Bezeichnung "Escalator" als Warenzeichen schützen und verkauft sie umgehend mit hohem Gewinn weiter - an das Aufzug-Unternehmen von Elisha Otis.

Todesfalle Rolltreppe

Auf der Weltausstellung 1900 in Paris erleben Escalator und Laufband ihre viel bestaunte internationale Premiere. Als die Firma Otis zehn Jahre später auch das Reno-Patent übernimmt und dessen Rillenprofil mit Seebergers Stufen kombiniert, entsteht die Fahrtreppe, wie wir sie heute kennen. Doch anders als in den USA braucht die neue Technik hierzulande noch Jahre, um sich durchzusetzen. Zu groß ist das Misstrauen vieler Menschen gegen das ungewohnte und nicht ganz ungefährliche Verkehrsmittel. Obwohl Bedienstete in den Kaufhäusern beim Zustieg und Abgang zur Hand gehen, kommt es immer wieder zu schweren Unfällen.

Vor allem spielende Kinder geraten mit ihrer Kleidung oder den Fingern in die Spalten an den Seitenwänden und am Treppenende. Schwere Verstümmelungen oder gar Todesfälle sind nicht selten die Folge – an alten Anlagen noch bis in die jüngste Vergangenheit. Erst die von modernen Produktionstechniken ermöglichte Verringerung der Spaltenbreiten auf wenige Millimeter und der Einbau von Sensoren machen die Schnittstelle Mensch-Maschine sicher. Die erste Rolltreppe in Deutschland wird übrigens 1925 im Kölner Warenhaus von Leonhard Tietz installiert. Einen anderen Rekord kann ein Düsseldorfer Kaufhaus beanspruchen. Mit einer Förderhöhe von gerade einem Meter verfügt es heute über die wohl kürzeste Rolltreppe.

Stand: 19.11.2011

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