Elisha Graves Otis hat eine neue Phobie in die Welt gesetzt: Die Angst, im Aufzug stecken zu bleiben. Klaustrophobie - gefangen in einem kleinen vertikal beweglichen Kästchen irgendwo zwischen den Etagen, schwitzend in drangvoller Enge, in schlechter Luft und ungeduldiger Gesellschaft.
Otis hat genau diese Situation gewollt: Nicht abstürzen, sondern stecken bleiben. 1853 steigt der Mechaniker im Kristall-Palast in New York auf eine kleine Plattform, die sich zwischen vier Pfosten an einem Tau gezogen nach oben bewegt. Meter um Meter hebt sich die Konstruktion über die Köpfe der Zuschauer in die Höhe - bis Otis seinem Assistenten plötzlich das Zeichen gibt, das Zugseil zu kappen.
Schreckensschreie, ein kurzer Ruck, die Plattform wackelt. Nichts ist passiert. "All save, Gentlemen", ruft Otis. "Alles sicher." Mit diesem Ausspruch geht der am 3. August 1811 in Halifax im US-Bundesstaat Vermont geborene Sohn eines Farmers in die Geschichte der Fortbewegung ein. Otis' Erfindung schafft die Voraussetzung für den Bau von Hochhäusern und Wolkenkratzern.
Entwickelt hat Otis den so genannten Sicherheitsaufzug bereits ein Jahr zuvor, als er in einem Vorort von New York in einer Bettenfabrik als Mechanikermeister arbeitet.
Er soll einen Lastenaufzug für die Produkte des Unternehmens konstruieren. Aufzüge gibt es zwar seit der Antike, diese hatten aber keine Sicherungssysteme. Noch im 19. Jahrhundert gibt es nur die Möglichkeit, im Notfall eine Bremse - wenn überhaupt vorhanden - per Hand zu bedienen.
Otis führt eine automatische Fangsicherung ein: Reißt ein Zugseil, dehnt sich eine Feder aus und verkeilt sich in der Führungsschiene des Fahrstuhls. 1861 meldet er seine Erfindung als Patent an. Er selbst profitiert davon nicht mehr.
Drei Monate später, am 8. April 1861, stirbt Elisha Graves Otis. Seine beiden Söhne führen die Arbeit fort. Otis-Fahrstühle werden in viele Prestigeobjekte eingebaut: 1881 ins Weiße Haus in Washington, 1889 in den Pariser Eiffelturm, 1931 ins New Yorker Empire State Building.
Die "Otis Elevator Company" wird zum internationalen Konzern und ist heute nach eigenen Angaben das weltgrößte Unternehmen für Aufzüge und Rolltreppen.