Stichtag

11. Dezember 321 - Juden werden erstmals in den Kölner Rat berufen

Das älteste Zeugnis jüdischer Geschichte nördlich der Alpen stammt aus der Antike. Es handelt sich dabei um ein Gesetz des römischen Kaisers Konstantin, das er an die Stadträte Kölns, die "Decurionen von Agrippina", gerichtet hat - erlassen am 11. Dezember des Jahres 321 nach Christus. "Mit einem allgemeinen Gesetz erlauben wir allen Stadträten, Juden in den Rat zu berufen", heißt es in dem Dokument, das erhalten geblieben ist, weil im fünften Jahrhundert Kaiser Theodosius II. die Gesetze des Römischen Reiches sammeln ließ und eine Handschrift davon in der Vatikanischen Bibliothek aufgehoben wurde.

Konstantins Anweisung ist zwar an die Kölner Ratsherren gerichtet, sie ist aber als allgemeines Gesetz, als Lex generalis, formuliert. Das bedeutet: Von nun an gilt für alle Provinzen des Reiches die Erlaubnis, Juden in den Stadtrat berufen zu dürfen. Da bisher keine weiteren antiken Spuren jüdischen Lebens nördlich der Alpen gefunden worden sind, ist das Gesetz historisch besonders bedeutend. "Nur wegen seines Inhaltes wissen wir überhaupt etwas über die jüdische Gemeinde von Köln - und überhaupt in allen germanisch-gallischen Provinzen", sagt der Kölner Althistoriker Professor Werner Eck. "Wir wissen sonst nichts bis zum vierten Jahrhundert, absolut nichts."

Aus Judea geflüchtet

Einen Hinweis darauf, weshalb Juden damals tausende Kilometer von ihrem Kernland Judea entfernt im Rheinland leben, gibt der antike jüdische Geschichtsschreiber Josephus. Er berichtet im ersten Jahrhundert über einen Krieg der Juden gegen die römische Herrschaft in Judea, der im Jahr 70 nach Christus mit der endgültigen Zerstörung des jüdischen Tempels in Jerusalem endet. Darauf erfolgt eine Auswanderungswelle, die sich wiederholt, als es rund 50 Jahre später zu einem zweiten Aufstand gegen Rom kommt.

Wenn im Jahr 321 Juden in den Kölner Stadtrat aufgenommen werden sollen, dann muss schon länger eine jüdische Gemeinde in Köln leben, folgert Historiker Eick. Zumindest einige Mitglieder müssen wohlhabend sein. Denn die Übernahme von politischen Ämtern kostet in der Antike ein Vermögen. Nicht der Staat bezahlt damals den Politiker, sondern der Politiker zahlt für sein Amt. Mehr noch: Mit seinem Eigentum haftet er für das notwendige Steueraufkommen. Deshalb kommen die Kölner Ratsherren - laut Eick - während der reichsweiten Wirtschaftskrise, die zu Beginn des vierten Jahrhunderts herrscht, auf die Idee, auch die jüdische Gemeinde in dieses System miteinzubeziehen. Entsprechend ergeht eine Bitte an Kaiser Konstantin.

Überreste einer antiken Synagoge?

Da im Römischen Reich ursprünglich Politik und heidnische Religion - Kaiser- und Götterkult - untrennbar zusammen gehören, sind die monotheistischen Juden von politischen Ämtern freigestellt. Unter Konstantin, dem ersten christlichen Kaiser, sind aber amtliche Tätigkeiten nicht mehr an kultische Handlungen gebunden. Damit können auch Juden als Politiker verpflichtet werden. Konstantin kommt ihnen deshalb im zweiten Teil seines Gesetzes von 321 auch entgegen: "Zum Trost gestehen wir mit einem immerwährenden Privileg je zwei oder drei von ihnen zu, von keinen Nominierungen in Anspruch genommen zu werden."

Über das Gesetz Konstantins hinaus gibt es bis ins frühe Mittelalter bislang keine weiteren schriftlichen oder archäologischen Quellen über das Leben der Juden in Mitteleuropa. Bei Ausgrabungen in Köln, die seit 2007 im mittelalterlichen Judenviertel durchgeführt werden, will Grabungsleiter Sven Schütte auch Überreste einer antiken Synagoge aus dem vierten Jahrhundert gefunden haben. "Die jüdische Synagoge ist nachweisbar, nur - diese Überreste stammen nicht aus dem vierten Jahrhundert", widerspricht Historiker Eck. Einen Beweis für ihre Behauptung sind die Kölner Ausgräber der Öffentlichkeit bislang schuldig geblieben.

Stand: 11.12.2011

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