New York im November 2001: Zwei Monate nach den verheerenden Anschlägen vom 11. September löst sich die Stadt nur langsam aus der emotionalen Schockstarre. Noch immer finden täglich Trauerfeiern und Beisetzungen von Opfern statt, vor allem in Rockaway Beach, auf der langgezogenen Halbinsel im Stadtteil Queens.
Viele der Polizisten und Feuerwehrleute, die beim Einsturz des World Trade Centers umgekommen sind, haben in dem New Yorker Außenbezirk gewohnt. Obwohl direkt am Meer gelegen, sind die Mieten dort günstig, denn Rockaway liegt genau in der Einflugschneise des John F. Kennedy Airports. Ausgerechnet am "Veteran’s Day" 2001, dem nationalen Gedenktag der Kriegsveteranen, wird dieses friedliche Wohnviertel zum Schauplatz einer erneuten Tragödie.
Explosion mit vollen Tanks
Es ist kurz nach neun Uhr morgens an jenem 12. November, als auf dem JFK Airport ein fast voll besetzter Airbus A300 mit Ziel Dominikanische Republik abhebt. Nur zwei Minuten nach dem Start stürzt Flug 587 der American Airlines über Rockaway Beach ab und verwandelt die Wohnsiedlung in ein Flammenmeer. Rasend schnell verbreitet sich die Katastrophen-Nachricht in New York; jeder geht von einem erneuten Terror-Anschlag aus. "Die Maschine flog sehr niedrig", berichtet ein Augenzeuge. "Etwas brach ab, vielleicht ein Triebwerk. Aber sicher ist: Das Flugzeug brannte".
Bürgermeister Rudolph Giuliani lässt umgehend alle Flughäfen, Brücken und Tunnel sperren, das Empire State Building und das UN-Hauptquartier werden geräumt, Kampf-Jets kontrollieren den Luftraum über der Hudson-Metropole. Dort, wo die voll betankte Maschine mitten zwischen den Wohnhäusern von Rockaway Beach explodierte, bietet sich den Einsatzkräften ein Bild des Grauens. Überall finden sie verkohlte Leichenteile, etwa ein Dutzend Häuser sind entweder ausradiert oder brennen lichterloh.
Verhängnisvolle Pilotenschulung
Keiner der 265 Menschen an Bord des Airbus überlebt die Katastrophe. Am Boden sterben fünf Personen. Dass es "nur" fünf sind, kommt einem kleinen Wunder gleich, denn am Morgen dieses verhängnisvollen Feiertags sind viele Einwohner noch in ihren Häusern. Schnell wird deutlich, dass die Befürchtungen über eine neuerliche Attacke islamistischer Terroristen unbegründet sind. Stattdessen gerät die Pilotencrew von American Airlines ins Visier der Unfallermittler. Die Auswertung der Cockpit-Gespräche ergibt, dass der Airbus direkt nach dem Abheben in schwere Turbulenzen geraten ist – erzeugt von einem zwei Minuten zuvor gestarteten Jumbo-Jet.
Um der Wirbelschleppe zu entkommen, hat der steuernde Co-Pilot den Airbus beschleunigt. Gleichzeitig trat er fünf Mal in Folge heftig auf die Pedale, mit denen das senkrecht aufragende Seitenruder am Heck bedient wird. Dieser aggressive Einsatz des Ruders, so ermittelt später die Luftfahrtbehörde, wurde den Piloten im Schulungsprogramm empfohlen, um Turbulenzen auszugleichen. Sie erfuhren allerdings nicht, dass der Hersteller Airbus ausdrücklich davor warnt, das Verfahren bei gleichzeitiger Schuberhöhung einzusetzen, da der Strömungswiderstand dann die Belastungsgrenzen des Materials übersteigt. Das Heck reißt ab, das Flugzeug ist nicht mehr in der Luft zu halten. Genau das geschah am 12. November 2001 über New York. Nahezu unbeschädigt wird das acht Meter hohe Seitenruder des Airbus A300 vier Kilometer vom Absturzort entfernt im Meer gefunden.
Stand: 12.11.2011
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