Das bekannteste Mitglied der christlichen "Priesterbruderschaft Sankt Pius X." ist der britische Bischof Richard Williamson. Der katholische Traditionalist ist im Januar 2009 wegen seiner Holocaust-Leugnung in die Schlagzeilen gekommen. Geweiht wurde Williamson 1988 vom Gründer der Pius-Bruderschaft, dem französischen Erzbischof Marcel Lefebvre, der damit seinerzeit selbst für Schlagzeilen gesorgt hat.
Die Vorgeschichte: Der am 29. November 1905 in Tourcoing bei Lille geborene Lefebvre, der von 1955 bis 1962 Erzbischof von Dakar war, gilt als erzkonservativ. Die Ergebnisse des Zweiten Vatikanischen Konzils, das Papst Johannes XXIII. 1962 zur Erneuerung der katholischen Kirche einberufen hat, lehnt Lefebvre ab. Er ist zwar bei den Beratungen dabei, genießt sogar das Vertrauen des Papstes und erhält den Ehrentitel "Päpstlicher Thronassistent". Zu den beschlossenen Reformen aber sagt Lefebvre "Nein". In seinem später verfassten "Glaubensbekenntnis" heißt es: "Wir weigern uns, den neomodernistischen und neoprotestantischen Tendenzen zu folgen." Die Ökumene verachtet er: "Ihr Geist fordert, dass man sogar die Feinde der Kirche als Brüder betrachten soll!" Lefebvre will stattdessen alle Nicht-Katholiken, auch Juden und Muslime, zum Katholizismus bekehren. Und der Bischof will weiterhin die Messe auf Latein lesen, nach dem Messbuch von 1570.
Pius-Brüder provozieren Kirchenspaltung
Als der Vatikan nach dem Konzil die lateinische Messe verbietet, gründet Lefebvre 1970 einen eigenen Orden, nennt ihn nach dem frommen Papst Pius X. und baut in Ecône im Schweizer Kanton Wallis ein Priesterseminar für den eigenen Nachwuchs auf. Als er die drei ersten Seminaristen zu Priestern weiht, kommt es zum Eklat. "Das war ein Regelverstoß, der das ganze System infrage stellte", sagt Journalist und Katholik Ulrich Harbecke. Papst Paul VI. suspendiert Lefebvre am 24. Juli 1976, damit sind ihm die Vollmachten seines Bischofs- und Priesteramtes entzogen.
Der Streit zwischen Lefebvre und Rom setzt sich auch unter Papst Johannes Paul II. fort. Ein Treffen zwischen den beiden 1978 bringt keine Annäherung. Im Juni 1988 weiht Lefebvre schließlich vier seiner Priester zu Bischöfen - darunter Williamson. Diese erneute Infragestellung der päpstlichen Autorität führt zum Bruch: Der Vatikan exkommuniziert Lefebvre und dessen Bischöfe. Sie sind jetzt aus der römisch-katholischen Kirche ausgeschlossen. Die seit langem im Raum stehende Kirchenspaltung ist vollzogen. Das schadet dem Orden aber nicht: Auch nach Lefebvres Tod am 25. März 1991 finden die Pius-Brüder Anhänger. Ihnen haben sich nach eigenen Angaben inzwischen weltweit 600.000 Gläubige angeschlossen.
Papst Benedikt XVI. rehabilitiert Holocaust-Leugner
Im Januar 2009 vollzieht Papst Benedikt XVI. eine Kehrtwende: Er hebt die Exkommunikation der ausgeschlossenen Bischöfe auf, "um die Einheit der Liebe der universalen Kirche zu fördern und den Skandal der Trennung zu überwinden".
Dass Papst Benedikt XVI. mit seinem Schritt auch Holocaust-Leugner Williamson in die katholische Kirche zurückgeholt hat, löst weltweit Entrüstung aus. Der Vatikan stellt seine Rehabilitierung als Irrtum dar: Ein "aufmerksames Verfolgen der im Internet zugänglichen Nachrichten" hätte es ermöglicht, "rechtzeitig von dem Problem Kenntnis zu erhalten", schreibt Benedikt in einem Erklärungsbrief. Kirchen-Kenner Harbecke ist skeptisch: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass man einen solchen Schritt tut, ohne dass eine Instanz prüft: Was ist das für ein Mann?"
Stand: 24.07.2011
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